Anleihemärkte

Peripherieanleihen vor Outperformance

Die Staatsanleihen der Peripherie der Eurozone stehen wohl vor einer erneuten Outperformance in diesem Jahr. Anleger sollten diese Papiere demzufolge durchaus dem Portfolio beimischen.

Peripherieanleihen vor Outperformance

Von Michael Klawitter*)

Die Sorgen vor einer erneuten Euro-Krise sind bei Investoren aus der Kernunion tief verankert, und folglich werden Staatsanleihen aus der Peripherie seit Jahren als Anlage­option nicht oder nur sehr eingeschränkt in Betracht gezogen. Unter Performance-Gesichtspunkten zu Unrecht, denn über fast alle Zeiträume seit der Überwindung der Euro-Krise Mitte 2012 haben Staatsanleihen aus der Peripherie gegenüber Staatsanleihen aus der Kernunion deutlich besser abgeschnitten. Lag zum Beispiel der Gesamtertrag bei Bunds (gemessen als Performance des iBoxx Deutschland) während der vergangenen zehn Jahre nur bei etwa 0%, legte der vergleichbare Index italienischer Staatsanleihen um 26% zu, ein Index aus spanischen Staatsanleihen sogar um 29%. Diese deutliche Outperformance ging zwar unterjährig phasenweise mit erhöhter Volatilität vor allem in Zeiten politischer Instabilität einher, doch hielten die im Vergleich zu deutschen Staatsanleihen hohen durchschnittlichen Kupons in der Peripherie den Gesamtertrag normalerweise klar im Positiven. Entsprechend verzeichnete der spanische iBoxx-Staatsanleiheindex zum Beispiel während der vergangenen zehn Jahre nur in zwei Jahren (2021 und 2022) eine negative Jahresperformance verglichen mit vier Jahren beim deutschen Index.

Muster könnte bleiben

Mit Blick auf 2023 spricht einiges dafür, dass dieses Muster anhält. Neben den weiterhin deutlich höheren Kupons in der Peripherie (3,70% bei BTPs zu 2,25% bei Bunds) könnten die anstehenden wirtschaftlichen und geldpolitischen Herausforderungen eher Bunds als Staatsanleihen aus der Peripherie belasten.

Deutschland ist im Umfeld der aktuellen Energiekrise nicht mehr länger der wirtschaftliche Anker der Eurozone, sondern steht aufgrund des hohen (energieintensiven) Industrialisierungsgrads der Wirtschaft vor immensen Strukturproblemen, die in den kommenden Jahren das deutsche Wirtschaftswachstum belasten dürften und hohe staatliche Investitionen er­fordern werden. Zusammen mit den Herausforderungen bei der Sicherheits- und Sozialpolitik dürfte dies mit erhöhter Nettoneuverschuldung einhergehen, und die Rückkehr zur „schwarzen Null“ im Haushalt erscheint unrealistisch. In diesem Jahr dürften die von der Bundesregierung am Kapitalmarkt aufzunehmenden Nettomittel im Vergleich zu 2022 um mehr als den Faktor 2 auf etwa 140 Mrd. Euro und damit ein Rekordniveau zulegen.

Prämie sinkt

Entsprechend geht die Knappheitsprämie für Bunds, die in den zurückliegenden Jahren ein wichtiger­ Baustein auch der Spreads von Peripherieanleihen gegenüber Bunds war, zurück. Aufgrund der großzügigen Zuwendungen der EU (durch den Next Generation Fund) für die Peripherie bleibt dagegen die Nettomittelaufnahme in Ländern wie Italien und Spanien im Vergleich zu 2022 stabil oder nimmt sogar etwas ab. So erhält zum Beispiel Italien aus dem NGEU-Fonds bis 2026 insgesamt 191 Mrd. Euro an direkten Unterstützungszahlungen und Krediten, die vom italienischen Finanzministerium nicht über den Kapitalmarkt finanziert werden müssen. Ähnlich sieht es in Spanien aus, so dass die Divergenz bei der Entwicklung der Neuemissionen zwischen Deutschland und den Peripheriestaaten für engere Spreads bei Staatsanleihen aus der Peripherie spricht.

Auch hinsichtlich des Ratingausblicks sollte Peripherieanleihen wenig Ungemach drohen. Zwar wurde der Ausblick für das italienische Rating im August 2022 von Moody’s auf „Baa3“ negativ abgesenkt, doch spiegelte dies vor allem die politische Unsicherheit vor den Parlamentswahlen im September wider. Inzwischen haben sich die anfänglichen Befürchtungen, dass die rechtsgerichtete Regierung in Rom die fiskalpolitischen Zügel deutlich lockern bzw. auf einen Konfrontationskurs mit der EU einschwenken könnte, verflüchtigt. Vor dem Hintergrund, dass die Zahlungen der EU an die Einhaltung von Haushaltszielen gekoppelt sind, sollte sich an diesem Zustand zunächst auch wenig ändern. Angesichts der gleichzeitig flacher als noch im Sommer/Herbst 2022 befürchtet ausfallenden wirtschaftlichen Abschwächung in der Eurozone spricht damit einiges dafür, dass Moody’s in den kommenden Monaten die Ratingherabstufung vom Sommer 2022 wieder zurücknehmen könnte.

Dafür spricht auch, dass die hohe Inflation die Sorgen am Markt um die Schuldentragfähigkeit in der Peripherie reduziert hat. Denn mit dem starken nominalen Wirtschaftswachstum reduziert sich die Schuldenquote. So ging diese zwischen März 2021 und Juni 2022 in Italien von 158% auf 150% zurück. Ein Niveau von 145% per Ende 2022 erscheint plausibel. In Spanien fiel die Quote im gleichen Zeitraum von 126% auf 116%. Angesichts der langen Laufzeit des Schuldenstocks Italiens sind die Auswirkungen der global angestiegenen Renditen auf den Schuldendienst in der Peripherie zudem gering, und angesichts der fällig werdenden Hochkuponanleihen aus der Zeit der Eurokrise bzw. kurz danach geht die Schuldendienstquote in Italien und Spanien weiter zurück bzw. hält sich stabil.

Sorgen vor einer Herabstufung des Kreditratings sollten von dieser Seite nicht aufkommen. Die Politik, die in den vergangenen Jahren vor allem in Italien für Unsicherheit beim Rating sorgte, bietet angesichts der deutlichen Mehrheit der Regierung Meloni in beiden Kammern des Parlaments ebenfalls zunächst wenig Anlass zur Sorge.

Niedrige Hürde

Das Argument, dass vor allem der Peripherie mit dem Beginn des Abbaus der EZB-Bilanz Spread-Volatilität drohe, lässt sich kaum belegen. Denn auch wenn die EZB ab März beginnen wird, das APP-Portfolio zunächst um 15 Mrd. Euro pro Monat über reduzierte Reinvestitionen abzubauen, bleibt die erste „Verteidigungslinie“ für die Peripherie in Form flexibler Reinvestitionen im PEPP-Portfolio weiterhin aktiv. Daran wird sich voraussichtlich bis Ende 2024 auch nichts ändern, so dass der EZB monatlich im Durchschnitt etwa 8 Mrd. Euro an Fälligkeiten von Staatsanleihen aus der Kernunion für Unterstützungskäufe von Peripherieanleihen zur Verfügung stehen. Dabei scheint die Hürde für die EZB, an den Spread-Märkten stabilisierend einzugreifen, recht niedrig zu liegen.

Ähnlich wie im vorigen Jahr sollte damit die Obergrenze für italienische Spreads (10 Jahre Laufzeit) gegenüber Bunds auf etwa 250 Basispunkte begrenzt sein, wobei das aufgezeigte fundamentale Bild eher für engere Renditeunterschiede spricht. Der mit dem Auslaufen des geldpolitischen Straffungszyklus von EZB und Fed zu erwartende Rückgang der Zinsvolatilität stützt Spread-Positionen zusätzlich, und im Umfeld höherer Kupons sollten Staatsanleihen aus der Peripherie Anleihen aus der Kernunion 2023 erneut outperformen können. Eine Einbeziehung von Staatsanleihen aus der Peripherie in das Anlageuniversum für Marktteilnehmer aus der Kernunion ist ratsam.

*) Michael Klawitter ist im Floor Research der DekaBank tätig.

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