Regine Richter, Urgewald

„Skandalisierung von Investments“

In Zeiten von ESG und Nachhaltigkeit gewinnen Nichtregierungsorganisationen bei Investoren mehr Einfluss. Über Kampagnen will Urgewald am Finanzmarkt etwas bewegen, sagt Regine Richter.

„Skandalisierung von Investments“

Wolf Brandes.

Frau Richter, als Nichtregierungsorganisation will Urgewald sich am Kapitalmarkt einmischen und Investitionen beeinflussen. Wie gehen Sie vor?

Immer noch fließt sehr viel Geld in die Kohleindustrie, die der Hauptverursacher der CO2-Emissionen ist. Es gibt Unternehmen, die noch heute Kohleminen und Kohlekraftwerke weiter ausbauen und dabei finanziert werden, oder Anleger, die in sie investieren. Mit Finanzrecherchen und deren Veröffentlichung wollen wir eine Skandalisierung dieser Finanzierungen und Investments erreichen und aufzeigen, wo zuerst aufgehört werden muss. Es darf kein Geld mehr für die Expansionisten der Kohlebranche geben, die den weiteren Ausbau betreiben.

Bei Banken, Versicherungen und Assetmanagern gibt es vielfach Selbstverpflichtungen. Ist das nicht der richtige Weg der Finanzbranche, am Wandel mitzuwirken?

Viele Kohle-Policies sehen vor, keine Projekte zu finanzieren. Aber das ist nur ein kleiner Bereich. Es müssen weitere Schritte folgen, denn inzwischen wird viel über die Ausgabe von Anleihen oder Unternehmenskredite finanziert, die oft noch nicht von den Verpflichtungen erfasst werden. Wir prüfen die Policies, wo Schlupflöcher sind und wie man die Regeln enger schnüren kann. Wir prüfen außerdem, wie Ausschlusskriterien wirken und ob sie unterlaufen werden. Man darf sich nicht auf die Angaben der Investoren verlassen, sondern muss das nachhalten.

Was kann man zum Bereich Versicherungen sagen?

Wir analysieren, in was für Aktien und Anleihen diese Anleger investiert sind. Es ist für Versicherer im Bereich der Anlagen leichter, sich von der Kohle zu verabschieden, als bei der Sachversicherung, also der Versicherung von Industrieanlagen und Projekten. Allerdings schließen inzwischen auch große Versicherungen Kohle-Sachversicherungen aus.

Sind Investments in den Bereich Kohle rückläufig?

Es ist erschreckend, dass immer noch wahnsinnig viel Geld in die Kohleindustrie fließt. Die Verpflichtungen sind oft löcherig. Der Allianz-Konzern hat eine sehr gute Kohle-Policy, aber die gilt nur für ihre eigenen Anlagen und nicht für die Töchter Pimco und Allianz Global Investors. Die beiden sind aber Riesenplayer, und die Sauberkeit der Allianz SE findet sich bei diesen nicht wider.

Was sind die Unterschiede?

Die Regeln von AGI entsprechen der Linie des Konzerns von 2018. Da sind Expansionisten nicht explizit ausgeschlossen. Das finden wir dramatisch. Noch schlimmer ist Pimco, die gar keine Kohleregeln haben.

Investoren versuchen auf Hauptversammlungen, Einfluss zu nehmen. Welche Bedeutung hat dieser Weg für Sie?

Als Teil von Kampagnen gehen wir regelmäßig auf Hauptversammlungen. Es gibt Unternehmen, die wir im Fokus haben wie Versicherungen, Deutsche Bank, RWE, Uniper. Solange das Präsenzveranstaltungen waren, bekam man die Aufmerksamkeit des Vorstands und es gab ein großes mediales Interesse. Mit Kritik und Aktionen konnten wir der Inszenierung eines Unternehmens etwas entgegensetzen. Das ist im Online-Format schwieriger, wir bleiben trotzdem dran.

Gibt es eine Zusammenarbeit mit Investoren, die ebenfalls bei dem Thema aktiv sind?

Wir pflegen regelmäßigen Kontakt mit zum Beispiel Union Investment und der Deka. Mit diesen sprechen wir über unsere Themen und tauschen uns über kritische Unternehmen wie RWE und Uniper aus.

Wie sieht es aus mit den öffentlichen Banken? Müssen diese schärferen Vorgaben unterliegen?

Die Sparkassen tragen ihre Gemeinnützigkeit vor sich her. Wenn man das ernst meint, müssten sie sich mehr konzentrieren auf zum Beispiel Klimafragen, aber auch das Thema Rüstung. Die Stadtsparkasse Düsseldorf haben wir kritisiert, dass sie Rheinmetall finanziert. Die Antwort lautete, als Sparkasse müsse man die lokalen Unternehmen fördern. Da haben wir einen höheren Anspruch. Richtig ist aber, dass einzelne kleine Sparkassen im Bereich Nachhaltigkeit nicht die Ressourcen haben wie zum Beispiel eine Deutsche Bank.

Was ist mit den Förderbanken?

Einer KfW muss man zugestehen, dass sie bei erneuerbaren Energien und Energieeffizienz sehr viel macht. Aber die KfW-Ipex fördert Exporte der deutschen Industrie, und hier sind sie wenig fortschrittlich, was Nachhaltigkeit angeht. Da ist die Europäische Investitionsbank (EIB) weiter, die eine Klimabank sein möchte und kein Gas mehr finanziert.

Arbeiten Sie mit Pensionsfonds?

Hervorzuheben ist der norwegische Staatsfonds beim Thema Kohleausstieg. Dort gibt es auch eine fantastische Transparenz über die Investments sowie eine Entscheidung des Parlaments zum Klimaschutz. Der Fonds hat eine unglaubliche Bedeutung, weil er so riesig ist.

Welche Folgen hat die Arbeit des norwegischen Fonds?

Der Fonds hat für andere Investoren den Weg geöffnet, aus Kohleinvestitionen auszusteigen. Der Ausstieg des norwegischen Staatsfonds hatte hektische Bemühungen bei anderen Investoren zu Folge. Das war ein Dominoeffekt. Aber auch da muss man genau hinschauen, denn am Anfang ging es nur um den Ausstieg aus Investments im Bergbau. Da gilt es den Finger in die Wunde zu legen und darauf hinzuweisen, dass es auch um die Kohleverbrennung in Kraftwerken gehen muss.

Ihr Ansatz geht über Ausschlusskriterien. Viele Investoren wollen Einfluss auf Unternehmen ausüben. Ist das der falsche Weg?

Wir sind große Fans von Ausschlusskriterien. Auch viele Investoren sagen, dass sie erst durch einen klaren Ausschluss die nötige Aufmerksamkeit des Vorstandes bekommen. Mit Engagement kommt man in vielen Fällen nicht so weit. Man braucht sehr klare rote Linien und muss Unternehmen am Ende auf die schwarze Liste setzen können. Manche Investoren lassen sich das Blaue vom Himmel versprechen. Wo Unternehmen wirkliche Veränderungen vornehmen, ist ein Ausschluss nicht nötig, aber dafür muss die Drohung real sein.

Das Interview führte

BZ+
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