Nachhaltige Anleihen

Social Bonds sind eine feste Größe im Markt

Die Bedeutung von Social Bonds ist in den vergangenen Jahren gestiegen. Infolge des Ukraine-Kriegs könnten sich nun neue Einsatzgebiete für die sozialen Anleihen ergeben.

Social Bonds sind eine feste Größe im Markt

Von Tobias Gruber und

Torsten Hähn*)

Social Bonds gehören zu den „klassischen“ Bondtypen am Markt für nachhaltige Anleihen. Bei diesen Klassikern definiert die konkrete Verwendung der mit dem Bond er­lösten Mittel, ob die Anleihe nachhaltig ist oder nicht. Im Falle von Social Bonds sollen die Erlöse eine positive gesellschaftliche Wirkung erzielen und eine Benachteiligung einzelner Bevölkerungsgruppen be­heben. Am Markt für nachhaltige Anleihen stellen Social Bonds nach den grünen Anleihen die zweitwichtigste Kategorie dar. Nach unserer Datenbank, die Bezug auf Euro-Anleihen nimmt, sind aktuell knapp 24% aller begebenen nachhaltigen Anleihen Social Bonds.

Deren Bedeutung ist in den vergangenen Jahren gewachsen. Insbesondere während der Corona-Pandemie kam den Social Bonds eine besondere Relevanz zu, erwies sich die Anleihekategorie doch als ideales Instrument zur Beschaffung von Kapital, um die sozialen Folgen der Pandemie auf Wirtschaft und Gesellschaft abfedern zu können. Während Social Bonds 2019 bei den Neuemissionen mit einem Anteil von rund 7% am Gesamtmarkt nachhaltiger in Euro denominierter Anleihen (entspricht Emissionen von 9 Mrd. Euro) nur eine untergeordnete Rolle spielten, standen 2020 und 2021 bei den Emissionen Marktanteile von 38% (89 Mrd. Euro) und 28% (111 Mrd. Euro) zu Buche.

EU mit zentraler Rolle

Maßgeblich verantwortlich für diese Entwicklung waren Emittenten mit staatlichem oder öffentlichem Bezug. Prominentester Akteur ist die Europäische Union, die im Zuge des Sure-Programms allein zwischen Oktober 2020 und Mai 2021 Anleihen im Volumen von knapp 90 Mrd. Euro emittierte. Damit ist die EU aktuell der größte Einzelemittent von Anleihen mit sozialem Verwendungszweck. Im bisherigen Jahresverlauf ist die Emissionsdynamik der Social Bonds nicht an die starken Jahre 2020 und 2021 herangekommen. Dennoch wurde mit den bereits begebenen Anleihen im Volumen von knapp 30 Mrd. Euro – gleichbedeutend mit einem Anteil von 20% aller 2022 begebenen Nachhaltigkeitsanleihen – die zweite Position hinter den Green Bonds gefestigt.

Ein neues Einsatzgebiet für So­cial Bonds könnte sich aus dem Wiederaufbau der Ukraine ergeben und so auch die EU erneut als zentralen Emittenten solcher Papiere ins Spiel bringen. Die Vorschläge, gemeinschaftliche Schulden nach dem Vorbild des bereits existierenden EU-Corona-Aufbaufonds Next Generation EU für diesen Zweck aufzunehmen, existieren bereits. Dass angesichts der vielfältigen Aufgaben eines Ukraine-Wiederaufbaus auch zahlreiche soziale Projekte und Maßnahmen finanziert werden müssen, ist unstrittig.

Losgelöst vom Fokus auf die Ukraine gibt es zahlreiche globale Agenden, für die eine Mobilisierung von Kapital für soziale Maßnahmen nötig ist. Ein prominentes Beispiel sind die 17 Ziele der UN für nachhaltige Entwicklung, die überwiegend sozialer Natur sind.

Die – durch den Ukraine-Krieg nicht leichter gewordene – Erfüllung solcher Agenden ist eines der Argumente für eine stärkere theoretische Unterfütterung sozialer Finanzierungen durch eine Sozialtaxonomie. Diese soll herausarbeiten, welche Ziele als sozial erstrebenswert gelten und welche wirtschaftliche Aktivität als sozial zu klassifizieren ist. Die EU-Plattform für ein nachhaltiges Finanzwesen hat vor einigen Wochen den Abschlussbericht zur möglichen Gestaltung einer Sozialtaxonomie vorgelegt. Ein Argument für die Einführung eines solchen EU-Rahmenwerks wurde bereits genannt: Mit einer Sozialtaxonomie kann sich Brüssel weiter als Vorreiter bei der Umsetzung globaler Agenden positionieren und die Rolle der EU als maßgeblicher Akteur im Bereich ESG-Finanzierungen stärken.

Für die Erfüllung sozialer Ziele ist die Mobilisierung von privatem Kapital notwendig, und hierfür sind stringente Definitionen erforderlich. Die EU-Plattform verweist auf Analysen, in denen Nachhaltigkeitsinvestoren angeben, dass die soziale Dimension die am schwierigsten zu berücksichtigende ESG-Ebene sei. Nur wo klar ist, wie die Charakteristika einer sozialen Aktivität sind, wird die Gefahr von So­cial Washing reduziert und der Weg zu den gewünschten Kapitalflüssen geebnet.

Anstoßwirkung erhofft

Wenn der Finanzmarkt eine Richtschnur bekäme, wie soziale Investitionen definiert sind, wird das eine gesamtwirtschaftliche Anstoßwirkung haben, so die EU-Plattform. Die Unternehmen dürften ihrerseits nämlich anstreben, am Finanzmarkt als „sozial“ zu gelten, und die hierfür notwendigen Maßnahmen intensivieren. Insgesamt sollte dies zu positiven Ergebnissen für Arbeitnehmer, Verbraucher und die Gesellschaft führen. Damit wäre das vielleicht wichtigste Ziel eines umfassenden Rahmenwerks erreicht.

Der Bericht der Plattform geht jedoch auch auf die Herausforderungen einer Sozialtaxonomie ein. Die Beurteilung, was „sozial“ ist und was nicht, kann stark vom jeweiligen Kontext – also der Geschichte, den wirtschaftlichen und kulturellen Gegebenheiten – eines Landes geprägt sein. Der Entwurf eines einheitlichen Bildes wird somit nicht einfach. Laut Vorschlag gilt auch, dass nur Zusatzleistungen einen sozialen Mehrwert stiften und nicht allein der reguläre Geschäftsbetrieb. So wäre für einen Pharmakonzern die bloße Herstellung von Medikamenten noch kein sozialer Zusatznutzen. Zusätzlich wäre die Leistung, diese Medikamente solchen Bevölkerungsteilen zur Verfügung zu stellen, die vorher keinen Zugang dazu hatten.

Erhöhte Komplexität

Dieser Ansatz scheint generell sinnvoll, erhöht aber die Komplexität. Ein weiterer Knackpunkt: Die Kriterien für die Umwelttaxonomie wurden generell auf der Grundlage von wissenschaftlich gesicherten Forschungsergebnissen entwickelt. Eine soziale Taxonomie kann sich nicht in gleicher Weise auf die Wissenschaft stützen. Dementsprechend könnte es zumindest initial schwieriger sein, quantifizierbare Kriterien für eine soziale Taxonomie zu entwickeln. Dazu kommt schließlich die Sorge vor dem ausufernden Bürokratie- und Offenlegungsaufwand, den ein solches Rahmenwerk mit sich brächte.

Auch aufgrund dieser Herausforderungen dürfte die Einführung einer EU-Sozialtaxonomie noch auf sich warten lassen. Ohne Relevanz sind die Vorschläge der EU-Plattform am Markt für nachhaltige Bonds aber nicht. Die vorgeschlagenen Zielkategorien können Investoren und Emittenten Hinweise darüber geben, in welche sozialen Aktivitäten Kapital gelenkt werden könnte. Ebenso verhält es sich mit Impulsen zur sozialen Abfederung der Folgen aus der notwendigen ökologischen Transformation oder dem Gedanken des Zusatznutzens.

Die These, dass soziale Anleihen den grünen Bonds selbst mit Untermauerung durch eine Sozialtaxonomie den Rang ablaufen, scheint aktuell noch zu gewagt. Die These, dass Social Bonds generell an Einsatzmöglichkeiten und Prominenz gewinnen sollten, dagegen nicht.

*) Tobias Gruber und Torsten Hähn sind Analysten im Rentenresearch der DZ Bank.