Meta Platforms

Wall Street zweifelt an Zuckerbergs Vision

Der US-Internetkonzern Meta Platforms plant, mit seiner virtuellen Welt „Metaverse“ das Internet zu revolutionieren. Am Aktienmarkt hat sich das für das Unternehmen bislang nicht ausgezahlt.

Wall Street zweifelt an Zuckerbergs Vision

Von Dieter Kuckelkorn, Frankfurt

Vor wenigen Tagen ist an der Wall Street etwas Bemerkenswertes geschehen. Der Grafikchiphersteller Nvidia, vor zwei Jahren noch mit Rang 50 der Liste der schwersten US-Unternehmen ein eher unbedeutender Konzern, ist an Meta Platforms vorbeigezogen. Nvidia erreicht einen Börsenwert von 628 Mrd. Dollar, während Meta auf 599 Mrd. Dollar kommt.

Meta Platforms, unter dem alten Namen Facebook eine der Ikonen des amerikanischen Technologie- und Internetsektors, holt derzeit weit aus, um die Erfolgsgeschichte des Konzerns auf ein ganz neues Niveau zu heben. Die Firma von Mark Zuckerberg will nicht weniger erreichen als die Kreation einer ganz neuen virtuellen Welt, die neben die reale Welt treten soll und dabei jede Menge Geschäftsmöglichkeiten bietet – bei denen Meta als Betreiber der Plattform jeweils die Hand mit aufhält. Sollte sich die Vision dieses „Metaverse“ so in die Realität umsetzen lassen, wie sich Zuckerberg das vorstellt, könnte Meta Platforms zum größten Konzern der Welt werden. Selbst Apple und Microsoft würden dann zu bloßen Zulieferern von Hardware, von Computerspielen und sonstigen Inhalten degradiert.

Allein die Ankündigung des „Metaverse“ im Oktober 2021 hätte der Aktie eigentlich einen enormen Schub geben müssen – zumindest dann, wenn die Wall Street der Vision Zuckerbergs folgt. Dem ist allerdings nicht so: Die Aktie hat seit Jahresbeginn knapp 31% an Wert eingebüßt, auf Sicht von einem Jahr 14%. Im Vergleich dazu hat der Benchmark-Index Nasdaq Composite seit Jahresbeginn nur 7% eingebüßt, binnen zwölf Mo­naten ergibt sich noch ein kleiner Anstieg von 4%. Der relative Niedergang von Meta ist so groß, dass mittlerweile an der Wall Street gespottet wird, der ehemalige Wachstumswert Meta sei zu einer Value-Aktie geworden. Dies ist auch an der Bewertung abzu­le­sen: Das Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) auf Basis der Ergebnisse der vergangenen zwölf Monate befindet sich mit 16,8 weit von dem entfernt, was für Wachstumswerte üblich ist. So kommt Tesla beispielsweise immer noch auf ein KGV von 190,5, Nvidia übrigens auf 82,4. Mit Blick auf die Vision vom „Metaverse“ scheint sich die Wall Street derzeit mehr an dem zu orientieren, was Helmut Schmidt einst anmerkte. Vom früheren Bundeskanzler ist der Hinweis überliefert, dass derjenige, der Visionen hat, zum Arzt gehen sollte.

Kurspotenzial gegeben?

Die offiziellen Analystenempfehlungen, die sich allerdings mehr an die breite Masse richten und die vom „Smart Money“ weitgehend ignoriert werden, strotzen hingegen vor Zuversicht. Von 52 Häusern raten 31 zum Kauf, während fünf den Titel mit „Overweight“ einstufen. Fünf Analysten raten dazu, die Aktien im Portfolio zu behalten, und ein einziger empfiehlt den Verkauf. Das durchschnittliche Kursziel für die kommenden zwölf Monate liegt bei rund 329 Dollar, was der Aktie ein Kurspotenzial von satten 42% geben würde.

Als Reaktion auf die Veröffentlichung des jüngsten Quartalsergebnisses war die Aktie zunächst um bis zu 26% eingebrochen, wobei rekordverdächtige 240 Mrd. Dollar an Marktkapitalisierung verloren gingen. Erstmals in der Geschichte des Unternehmens ist nämlich die Zahl der aktiven Nutzer von Facebook zurückgegangen, wenn auch nur geringfügig von 1,93 Milliarden auf 1,929 Milliarden. Zuckerberg verwies auf die wachsende Konkurrenz von Plattformen wie Tiktok, aber auch auf die ver­schärften Datenschutzbestimmungen von Apple, die es schwieriger machten, gezielte Werbung unterzubringen.

Somit ist Meta dringend auf den Erfolg seiner Metaverse-Vision angewiesen. In dieser Hinsicht sind aber erhebliche Zweifel angebracht, denn bislang sind sämtliche Versuche, eine kommerziell nutzbare virtuelle Welt neben die reale zu setzen, gescheitert. 2003 hatte beispielsweise ein Start-up-Unternehmen namens Linden Lab das sogenannte „Second Life“ gestartet, das bis 2013 lediglich eine Million Nutzer anzog. Nun ist Meta Platforms alles andere als ein Start-up und die Technologie hat sich seither weiterentwickelt, dennoch scheint der Konzern einen steilen Weg vor sich zu haben.

Verschiedene Erwartungen

Was die Weiterentwicklung des Internets betrifft, gibt es schon seit Längerem zwei entgegengesetzte Erwartungen. So wird von einem Teil der Beobachter und Akteure, zu denen Zuckerberg gehört, auf virtuelle Realität gesetzt, quasi als dreidimensionaler Weiterentwicklung des bislang zweidimensionalen World Wide Web mit Hilfe beispielsweise von 3D-Headsets wie Facebooks Oculus Quest 2. Allerdings haben sich bislang selbst 3D-Fernseher mit entsprechend zu tragenden Brillen beim Konsumenten nicht durchgesetzt. Die andere Richtung erwartete und erwartet stattdessen unter dem Stichwort „Ubiquitous Computing“, dass die Benutzer lieber in der realen Welt bleiben wollen, sich dabei aber zunehmend durch immer leistungsfähigere Smartphones, neue Gerätetypen und vor allem künstliche Intelligenz unterstützen lassen.

Aber selbst wenn Zuckerberg Recht hat und sich das „Metaverse“ als zweiter Lebensraum durchsetzen sollte, ist es fraglich, ob Meta Platforms der große Gewinner sein wird. Zum einen werden andere große Technologiekonzerne wie Google, Microsoft und Apple bestrebt sein, ebenfalls die lukrative Position des Plattformbetreibers einzunehmen, und damit in Konkurrenz zu Meta treten. Zum anderen wird es sich die neue führende Weltmacht China nicht bieten lassen, dass ihre virtuelle Welt – so sie denn kommt – von amerikanischen Konzernen beherrscht und kontrolliert wird. Ohne China mit seinen 1,5 Milliarden Einwohnern sind die kommerziellen Perspektiven des „Metaverse“ aber bereits deutlich kleiner geworden. Russland als enger Verbündeter Chinas hat schon erhebliche Bedenken angemeldet, die Regierung will für die virtuelle Realität weitgehende Restriktionen einführen.

Damit ist aber nicht gesagt, dass „Metaverse“ in den nächsten Jahren kein größeres Thema an der Börse werden könnte – genauso wie an einer Überbewertungsblase am Aktienmarkt aus Anlegersicht nichts auszusetzen ist, solange sie nicht platzt. Es ist durchaus zu erwarten, dass Unternehmen, die sich auf das „Metaverse“ ausrichten, an der Börse gehyped werden. Ob Meta Platforms dazugehören wird, ist allerdings fraglich.

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