Assetmanagement

Wie KI die Risikotragfähigkeit erhöht

Künstliche Intelligenz liefert neue Perspektiven auf die Finanzmärkte. Durch ihren Einsatz im Assetmanagement lassen sich der Diversifikationsnutzen und die Risikotragfähigkeit von Portfolios erhöhen.

Wie KI die Risikotragfähigkeit erhöht

Für die meisten professionellen Investoren fällt die Bilanz bei der Betrachtung der großen Assetklassen im ablaufenden Jahr ernüchternd aus. Über 95% aller Mischfonds in Deutschland liegen im Minus. Die Märkte bewegen sich im Spannungsfeld zwischen Inflationsbekämpfung und Rezessionsabwendung. Egal, ob breit gestreut über Fonds und ETFs oder direkt über Aktien: Fast alle Kapitalanlagen verlieren.

Gleichsam ist die Situation im institutionellen Assetmanagement durch hohe Cash-Quoten mit entsprechendem Investitionsdruck so­wie Erwartungen auf Anlegerseite gekennzeichnet. Die Ergebnisse der aktuellen Umfrage des Bundesverbandes Alternative Investments vom Oktober legen nahe, dass mehr als jeder vierte institutionelle Investor in alternative Investments allokiert. Hauptmotiv ist die Suche nach Diversifikationspotenzialen.

Neue Perspektiven

Ein Hebel ist der Einsatz künstlicher Intelligenz (KI), die durch tiefe Durchdringung und andersartige Interpretation strukturierter Finanz- und Preisdaten maximalen Diversifikationsnutzen anstrebt. Althergebrachte Annahmen zum Marktgeschehen und vermeintliche Gesetzmäßigkeiten haben im Jahr 2022 massive Disruptionen erfahren. Kann maschinelle Intelligenz hier einen Gewinn an Perspektive leisten?

Dazu lohnt ein Blick auf die negative Korrelation von Aktien und Anleihen. Diese wurde von Investoren in besseren Börsenphasen als selbstverständlich angesehen. Indes: Allein anhand der rollierenden Korrelation zwischen dem S&P 500 und zehnjährigen US-Treasuries zeigt sich, dass deren gegenläufige Bewegung der Jahre 2000 bis 2020 historisch eine Ausnahme bildet und die Tendenz heute eher in Richtung einer gleichläufigen Entwicklung geht.

Die Wahrnehmung diesbezüglich hat sich bei vielen Kapitalsammelstellen und Vermögensverwaltern drastisch geändert – mit konkreten Implikationen für die Praxis der Portfoliokonstruktion. Erstens gilt es, sich unabhängiger von der alleinigen Erwartung steigender Aktienmärkte zu machen.

Zweitens werden Wege gesucht, um die risikomindernden Eigenschaften, die man sich traditionell von Rentenpapieren verspricht, zu kompensieren. Zwar haben Anleihen durch die positive Verzinsung wieder an Attraktivität gewonnen. Allerdings schlagen Realwertverluste aufgrund der hohen Inflation weiterhin zu Buche und es besteht die Gefahr weiterer Rückschläge, sollte sich der Zins stärker als erwartet der Teuerungsrate annähern. Drittens könnten die beschriebenen Korrelationsvorteile zwischen Aktien und Anleihen für Mischportfolios bei hoher Inflation noch weiter verloren gehen.

Wenige Marktteilnehmer werden im Lichte aktueller Unsicherheiten zustimmen, dass „Kaufen und halten“-Strategien der Schlüssel zum Erfolg sind. Doch warum eigentlich? Stabilität ins Portfolio zu bringen, damit Anleger ruhiger schlafen können, dies ist doch eigentlich der Anspruch vieler aktiv gemanagter Misch- und Strategiefonds – und dies nicht nur in „Schönwetterphasen“.

Insofern sind, neben den skizzierten Datenanalyse- und Dekorrelationseigenschaften, die Generierung von Alpha und der Schutz gegen Drawdowns einige Aufgaben, für die KI-Systeme eingesetzt werden können. Entsprechend programmiert, kann eine auf KI-Algorithmen basierende Strategie die Wahrscheinlichkeiten von Marktbewegungen börsentäglich berechnen und auch auf kurzfristige Veränderungen des Umfelds dynamisch reagieren.

Ein Beispiel aus der Investmentpraxis: Zehnjährige US-Staatsanleihen lagen 2022 die meiste Zeit in einem Abwärtstrend. Setzten trendfolgende Modelle auf eine Fortsetzung (die sich ab August tatsächlich bestätigte), konnten sie von dem kurzfristigen Richtungswechsel, der Mitte Juni bis Ende Juli seinen Ausdruck in einer Aufwärtsbewegung von circa 5% fand, nicht profitieren. Ein weiteres Beispiel ist die jüngste aufsteigende Bewegung des Euro von circa 7% gegen den dominierenden Abwärtstrend. Fehlverhalten durch Emotionen und sogenanntes Anchoring (Festhalten an getroffenen Investmententscheidungen) sollen bewusst herausgefiltert werden.

Beim KI-Einsatz im Assetmanagement unterscheiden sich die – derzeit noch wenigen – Anbieter in Deutschland hinsichtlich ihrer Methodik teils erheblich. Die aktuelle Phase dient sicher als erkenntnisreiche Bewährungsprobe. Neben den Inflations-, Zinswende- und Konjunkturthemen geht es darum, inwieweit geopolitische Krisen und Pandemien überhaupt prognostizier- und manövrierbar sind. Auswertungen des Indexanbieters Plexus zufolge schlugen im dritten Quartal 2022 rund 43% der Machine-Learning- und KI-Fonds in Deutschland ihre Benchmark.

Geringe Korrelation

Aus unserer Sicht bietet die Beschränkung auf Long-only-Strategien zu wenig Spielraum. Daher haben wir den KI-Fonds und den Freiheitsgrad des Portfoliomanagements so aufgestellt, dass auch fallende Aktien- und Anleihemärkte verwertet werden können. Die Wertentwicklung korreliert so nur gering mit Aktien, deutschen Staatsanleihen, Gold oder Rohstoffen und generierte bei niedriger Volatilität relativ konstant ein jährliches Plus von 4 bis 5% – auch während der Covid-Phase und im durch den Ukraine-Krieg geprägten Jahr 2022.

Ist KI besser für eine neutrale Marktanalyse geeignet und kann sie Gelegenheiten in einem Umfeld identifizieren, in dem die meisten Vermögenswerte verlieren? Eine Garantie für Überrenditen bieten neue quantitative Modelle nicht. KI-Systeme bieten jedoch einen neuen, zusätzlichen Instrumentenkasten, der mehr und mehr nachgefragt wird – zum Beispiel zur Ermittlung auch nichtlinearer Zusammenhänge von Preistrends, Kursmustern und Eintrittswahrscheinlichkeiten sowie Wendepunkten und Richtungswechseln an den Märkten. Bei richtiger Konfiguration lässt sich, so unsere Überzeugung, die Risikotragfähigkeit des Portfolios gegenüber traditionellen Ansätzen optimieren.