Japan

Yen-Aufwertung nur aufgeschoben

Der japanische Yen ist – wie von vielen Marktbeobachtern prognostiziert – nicht stärker geworden. Ganz im Gegenteil. Allerdings sollte der erwartete fundamentale Auftrieb nur aufgeschoben sein.

Yen-Aufwertung nur aufgeschoben

Von Van Luu*)

Der japanische Yen ist – wie von vielen Marktbeobachtern prognostiziert – nicht stärker geworden. Ganz im Gegenteil. Allerdings sollte der erwartete fundamentale Auftrieb nur aufgeschoben sein. Die sehr günstige Bewertung, der Aufwärtsdruck bei japanischen Langfristzinsen und der defensive Charakter der Währung, der bei einer möglichen globalen Rezession zu einer Flucht in den Yen führen könnte, sind die wesentlichen Argumente für einen stärker werdenden Yen in der zweiten Jahreshälfte.

Seit 2016 stützt die Bank of Japan (BoJ) ihre extrem expansive Geldpolitik auf die Zinskurvenkontrolle (Yield Curve Control, YCC). Dabei kündigt sie an, in welchem Rahmen sie die Renditen von zehnjährigen Staatspapieren halten will, und versucht dann, mit Anleihekäufen diesen Rahmen einzuhalten. Mit ihrer Nullzinspolitik und der YCC hat sie so im globalen Notenbankkonzert einen Sonderweg beschritten. Die US-Notenbank (Fed) und die Europäische Zentralbank (EZB) haben schon seit einiger Zeit die Zinsen angehoben und die Anleihekaufprogramme zurückgefahren, was die ausgeprägte Yen-Schwäche bis Oktober 2022 erklärt. Die Talfahrt des Yen fand erst nach Interventionen der BoJ und mit der Aussicht auf einen Wendepunkt bei den Fed- und EZB-Zinsen bei 150 Yen je Dollar ein Ende.

Überraschende Ausweitung

Die Fantasie auf einen nachhaltig stärkeren Yen wurde im Dezember 2022 durch die überraschende Ausweitung des Renditezielbands für japanische Staatsanleihen (JGBs) auf +/−50 Basispunkte geschürt. Allerdings hat die Maßnahme nicht die gewünschte Wirkung entfaltet und für private Akteure sind die Marktliquidität sowie die Funktionsweise des Anleihemarkts weiterhin schlecht. Heute bewegen sich die Renditen zehnjähriger JGBs am oberen Rand des neuen Zielbands bei 0,5%. Zudem hat die japanische Zinskurve eine Delle, wobei die zehnjährigen unter den neun- und elfjährigen JGB-Renditen liegen. Das heißt, die BoJ interveniert offenbar weiterhin massiv. Ohne diese Maßnahmen wären die Renditen im zehnjährigen Bereich um etwa 30 bis 40 Basispunkte höher. Auch das zeigt, dass die YCC in ihrer jetzigen Form nicht mehr lange aufrechtzuerhalten ist.

Noch komplexer wird die Lage durch den baldigen Amtsantritt des neuen Notenbankchefs. Der bisherige BoJ-Gouverneur Haruhiko Kuroda, der als der Architekt von Niedrigzinspolitik und YCC gilt, wird im April von Kazuo Ueda abgelöst. Ueda ist Anhänger einer lockeren Geldpolitik, der sich auch der Nachteile der Zinskurvenkontrolle bewusst ist. Unter seiner Führung könnte die BoJ dem Verzicht auf YCC näherkommen. Für den Yen spricht seine sehr günstige Bewertung zum Dollar. Zum Beispiel liegt die Kaufkraftparität von Yen/Dollar laut OECD bei 102 und signalisiert eine Unterbewertung von über 30%. Die Kaufkraftparität ist zwar kein besonders guter Kurzfristindikator, unterstreicht aber den mittelfristigen Aufwertungsdruck für den Yen gegenüber dem Dollar. Ein ähnliches Bild zeichnet der reale handelsgewichtete Wechselkurs des Yen, der vom IWF berechnet wird. Demnach ist die japanische Währung so günstig wie zuletzt in den 1970er Jahren. Japanische Waren sind somit im globalen Handel sehr wettbewerbsfähig, was mittelfristig zu einem stärkeren Yen führen sollte.

Short positioniert

Dafür spricht auch, dass Währungsspekulanten seit längerem short positioniert sind und auf eine Abwertung der japanischen Währung wetten. Das geht aus Daten der amerikanischen Commodity Fu­tures Trading Commission (CFTC) zu Positionen in Yen-Fu­tures hervor. Dies kann als Kontraindikator gewertet werden. Ein fundamentaler Impuls zu einem stärkeren Yen könnte die Mehrheit der kurzfristigen Trader auf dem falschen Fuß erwischen und zu einer heftigen Aufwertung führen.

Einfach Yen zu halten und abzuwarten, ist allerdings keine gute Option, da die Haltekosten (Carry) für den Yen wegen der negativen Zinsdifferenz zu Dollar und Euro recht hoch sind. Aus Ein-Monats-FX-Forward-Kontrakten kann man einen annualisierten Zinsnachteil des Yen von etwa 4,5% zum Dollar und 2,5% zum Euro ableiten. Eine Haltestrategie kann also teuer werden.

Vorerst auf Sicht fahren

Investoren sollten also lieber vorerst auf Sicht fahren und zuwarten. Der Auslöser für eine Aufwertungswelle des Yen könnte sowohl von japanischer als auch amerikanischer Seite kommen. Seitens der BoJ liegt der Schlüssel beim neuen Notenbankchef Ueda, der voraussichtlich am 8. April sein Amt antritt. Ein Aufweichen der YCC wird wahrscheinlich frühestens bei Uedas erstem geldpolitischen Treffen am 27. und 28. April beschlossen. Dafür spricht, dass die BoJ-Volkswirte­ zu diesem Termin neue Wirtschaftsprognosen vorlegen und dann Daten zu Lohnverhandlungen in Japan verfügbar sein werden. Es ist auch möglich, dass sich die Entscheidung bis Juni verzögert. Dies hätte den Vorteil, dass das Inflationsziel überarbeitet wäre und der geldpolitische Rahmen neu definiert werden könnte. Wenn die BoJ ihr Renditezielband dann weiter ausweitet oder ganz auf die Zinskurvenkontrolle verzichtet, würde dies einen starken Aufwertungsdruck auf den Yen zur Folge haben.

Allerdings hängt die Zukunft des Yen nicht allein von Ueda, sondern auch von der Fed ab. Noch ist die US-Notenbank sehr „hawkish“ und die jüngsten positiven Konjunkturdaten schieben den amerikanischen Zinswendepunkt weiter nach hinten. Die Erwartung für einen stärker werdenden Yen gilt jedoch auch dann, wenn es zu einer Rezession kommen sollte. Die inverse Zinskurve ist ein historisch sehr verlässliches Indiz dafür, dass der Zinsgipfel bald erreicht ist, die Konjunktur sich deutlich abschwächt und Zinssenkungen Ende 2023 oder Anfang 2024 auf der Tagesordnung stehen könnten. Sobald die Fed die ersten Signale eines solchen geldpolitischen Schwenks aussendet, kann der japanische Yen fulminant aufwerten.

*) Van Luu ist Global Head of Solutions Strategy FI and FX bei Russell Investments.

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