Chemiehandel

Brenntag zieht Spendierhosen an

Brenntag-Aktionäre dürfen sich freuen: In Form von Dividende und Aktienrückkauf wird mehr als 1 Mrd. Euro verteilt. Mit dem Druck von Aktionärs­aktivisten habe das nichts zu tun, sagt der Firmen­chef.

Brenntag zieht Spendierhosen an

ab Köln – Brenntag hat sich 2022 als Krisengewinner erwiesen und ein Rekordergebnis geschrieben. Daran sollen die Aktionäre gleich zweifach beteiligt werden. Zum einen wird die Dividende um 38 % auf 2 Euro je Aktie erhöht, entsprechend einer Ausschüttungssumme von 309 Mill. Euro, wie Vorstandschef Christian Kohlpaintner bei der Bilanzvorlage sagte. Zum anderen sollen binnen zwölf Monaten 750 Mill. Euro in den Rückkauf eigener Aktien gesteckt werden. Es handelt sich um das erste Rückkaufprogramm der Firmengeschichte. Basierend auf dem aktuellen Aktienkurs entspräche das knapp 10,5 Millionen Aktien oder 6,8 % des Grundkapitals. In Summe verteilt der Chemiedistributeur mehr als 1 Mrd. Euro unter seinen Anteilseignern.

Als Reaktion auf den Druck von Aktionärsaktivisten, die sich zuletzt mit offenen Briefen an das Management Gehör verschafften, will Kohlpaintner das Vorgehen jedoch nicht verstanden wissen. Brenntag fühle sich mit einem Verhältnis der Nettoverschuldung zum operativen Ergebnis von 2 sehr wohl und habe sich vor diesem Hintergrund in der Hauptversammlung 2022 eine entsprechende Genehmigung eingeholt. Davon werde jetzt, wie im November angedeutet, Gebrauch gemacht.

Auch beim Thema Aufspaltung, das kürzlich ein weiterer Investor aufs Tapet brachte, gibt sich Kohlpaintner auf den ersten Blick offen. Es sei Aufgabe des Managements, Optionalitäten zur Wertsteigerung zu prüfen. Die beiden Segmente Specialties und Essentials drifteten in ihren jeweiligen Geschäftsmodellen und -praktiken immer weiter auseinander.

Kostensynergien

Daher müssten die Divisionen stärker unabhängig voneinander operieren. Dieser Weg werde jetzt konsequent beschritten. „Gleichzeitig glauben wir, dass wir aus dem Zusammenhalt der Divisionen unter einem Dach erhebliche Kostensynergien ziehen können“, erläuterte Kohlpaintner und versprach, „das Performance Gap bei den Spezialitäten“ zu adressieren. Im April kommt mit Michael Friede ein neuer Chief Operating Officer an Bord.

Über mangelnde Performance konnte sich der Weltmarktführer in der Chemiedistribution 2022 jedoch nicht beklagen. Das operative Ergebnis vor Sondereinflüssen (Ebitda) erhöhte sich in wechselkursbereinigter Rechnung um 27%, dank geringerer Sonderlasten konnte das Ergebnis je Aktie auf 5,74 (i.V. 2,90) Euro nahezu verdoppelt werden.

Allerdings schwächte sich die Geschäftsentwicklung im Schlussquartal deutlich ab. Das vierte Quartal sei von „aktivem Bestandsmanagement“ – zu gut Deutsch: Lagerabbau – der Kunden geprägt gewesen, erklärte Kohlpaintner. Diese Entwicklung habe sich im ersten Quartal fortgesetzt. Dennoch rechnet Brenntag für das Auftaktquartal mit einem über dem Schlussquartal liegenden operativen Ergebnis. Als Messlatte für die operative Entwicklung stellen die Essener mit Beginn dieses Geschäftsjahres auf das operative Ebita um, das im abgelaufenen Turnus um fast 40% (wechselkursbereinigt: 31,5%) auf 1,5 Mrd. Euro geklettert war.

Vom zweiten Quartal an werde sich die Situation aufhellen, gab sich der Brenntag-Chef zuversichtlich. Entsprechend verhalten fällt der Ausblick für das Jahr aus. Das operative Ebita wird zwischen 1,3 und 1,5 Mrd. Euro erwartet. Die große Bandbreite sei der hohen Unsicherheit geschuldet. Auch wenn das Ergebnis bestenfalls stagniere, „ist Stabilisierung in diesem Umfeld ein großer Erfolg“, rückte Kohlpaintner die Perspektive zurecht.

Hatte Brenntag das jährliche M&A-Budget zuletzt auf 400 bis 500 Mill. Euro verdoppelt, sind größere Transaktionen damit nicht vom Tisch. „Wenn sich Möglichkeiten ergeben, müssen wir größere und mutigere Schritte prüfen“, sagte der Manager. Ende vergangenen Jahres hatten die Essener die Übernahme des zweitgrößten Chemiedistributeurs Univar geprüft, das Vorhaben aber wenige Wochen später abgeblasen. Am Ende seien die Risiken zu hoch gewesen, begründete Kohlpaintner die Absage.

Wertberichtigt Seite 2

Brenntag
Konzernzahlen nach IFRS
in Mill. Euro20222021
Umsatz19 41914 383
Rohertrag4 3193 379
Operatives Ebitda1 8091 345
Sondereinflüsse−20−229
Konzerngewinn903461
Ergebnis je Aktie (Euro)5,742,90
Dividende (Euro)2,001,45
Free Cashflow1 006440
Nettofinanzschulden2 0502 070
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