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China echauffiert sich über IWF-Länderbericht

Der Internationale Währungsfonds (IWF) erhöht zwar seine Wachstumsprognose für China, sieht aber dennoch erhebliche Risiken für die Entwicklung in diesem Jahr. In Peking zeigt man sich verschnupft und geißelt den IWF-Bericht als übertrieben pessimistisch.

China echauffiert sich über IWF-Länderbericht

Der neue Länderbericht des Internationalen Währungsfonds (IWF) stößt trotz einer durchaus optimistischen Einschätzung der chinesischen Konjunkturlage und einer deutlich angehobenen Wachstumsprognose auf Kritik in Peking beziehungsweise bei chinesischen Vertretern im IWF-Verwaltungsrat. Der Währungsfonds hat seinen Schätzwert für das Wachstums des Bruttoinlandsprodukts (BIP) kürzlich von 4,3 auf 5,2% angehoben und traut der weltweit zweitgrößten Volkswirtschaft eine durchaus flotte Konjunkturerholung zu, nachdem Peking im Dezember das langjährige Pandemie-Kontrollregime mit seinen extremen Restriktionen schlagartig abschaffen ließ. Die chinesischen Vertreter bezeichnen die aufgebesserte IWF-Prognose allerdings immer noch als „übertrieben pessimistisch“.

Die chinesische Regierung hatte eine Reihe von einigermaßen ermutigender Konjunkturdaten, die eine Belebung des Konsums und kräftigere Dienstleistungsnachfrage suggerieren, zum Anlass genommen, die Rückkehr Chinas zu präpandemischen Wachstumsraten anzupreisen. Staatliche Wirtschaftsforschungsinstitute prognostizieren bereits ein BIP-Wachstum von 6%. Dabei wird die Sichtweise vertreten, dass die Schwäche des chinesischen Wohnimmobilienmarkts rasch überwunden und die Verschuldungskrise bei Immobilienentwicklern bereits als behoben angesehen werden kann.

Im neuen IWF-Bericht wird allerdings explizit von einer Krise im Immobiliensektor und ungelösten Problemen im Zusammenhang mit der Verschuldungsproblematik bei Bauträgern gesprochen. Seitens Peking hieß es am Freitag allerdings, der chinesische Immobilienmarkt befinde sich keineswegs in einer Krisensituation. Im IWF-Bericht finde sich eine unangemessene und übertriebene Darstellung der Schwierigkeiten.

Die IWF-Ökonomen gehen davon aus, dass der chinesischen Wirtschaft eine vom privaten Konsum angetriebene Erholung gelingt. Sie sprechen in dem neuen Bericht gleichzeitig aber auch eine Reihe von Problemen an, die den von der Wende in der Corona-Politik eingeleiteten Konjunkturerholungsprozess stören könnte. Dazu gehört vor allem die Gefahr eines neuerlichen Pandemieschubs, der die Produktion und den Konsum wieder aus dem Tritt bringen könnte. So hatte die schlagartige Abschaffung des Corona-Kontrollregimes im Dezember eine gigantische Ansteckungswelle ausgelöst und dabei auch erhebliche wirtschaftliche Verwerfungen gezeitigt. Zum anderen verweist der IWF darauf, dass neben den erheblichen Probleme im Immobiliensektor ein verringertes Produktivitätswachstum, die Problematik eines beginnenden Bevölkerungsschwunds und Schwächen bei sozialen Absicherungssystemen der Wirtschaftsdynamik weiter zusetzen könnten.

Wie Thomas Helbling, der stellvertretende Direktor der Asien-Pazifik-Abteilung des IWF, am Freitag betonte, läuft die chinesische Wirtschaft derzeit eindeutig unterhalb ihres Potenzials und bedarf weiterhin stützender Maßnahmen zur Anregung der Binnennachfrage. Nach Ansicht des IWF soll die Regierung den privaten Haushalten stärker unter die Arme greifen und die Sozialsysteme festigen. Helbling zufolge werden in der Pandemiezeit veranlasste fiskalische Stützungs- und Stimulierungsmaßnahmen nun auslaufen, was einer gewissen Bremswirkung gleichkommt.

Entsprechend empfiehlt der IWF der Pekinger Regierung in diesem Jahr eine „neutrale“ fiskalische Position einzunehmen und im Rahmen der öffentlichen Ausgabenpolitik den Akzent stärker in Richtung private Haushalte zu verschieben. Grundsätzlich ruft der IWF dazu auf, strukturelle Reformen zur Stärkung künftigen Wachstumspotenzials energischer anzugehen und Ungleichbehandlungen der Privatwirtschaft gegenüber den Staatsunternehmen abzubauen. Dies würde auch einen Beitrag zur Stärkung der Produktivität und Vitalisierung des Arbeitsmarktes leisten.

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