BIP-Wachstum

Chinas traurige Schadensbilanz

Chinas Wirtschaft ist nach einem verdächtig wirkenden Schlussspurt Ende 2022 doch noch auf 3% Wachstum gekommen. Aber auch das ist eine denkbar schwache Performance, die Chinas dramatisch verfehlte Corona-Politik in Erinnerung hält.

Chinas traurige Schadensbilanz

China ist 2022 mit Ach und Krach auf ein Wirtschaftswachstum von 3% gekommen. Im vierten Quartal hebt sich der offiziell ausgewiesene BIP-Anstieg mit 2,9% extrem stark von der Prognose der Experten bei 1,6% ab. Der überraschende Schlussspurt weckt einigen Verdacht auf statistische Schönung. Es ging wohl darum, mit einer Drei vor dem Komma das Gesicht zu wahren. Was sich in den meisten großen Volkswirtschaften als ansehnliche Steigerungsrate des Bruttoinlandsprodukts (BIP) darstellen ließe, ist angesichts der chinesischen Wirtschaftsdynamik in den vorangegangenen Dekaden dennoch ein Schandfleck.

Seit 1976, dem Jahr als Mao Tse-tung verstarb und China in eine chaotische Kulturrevolution verstrickt war, ist die Wirtschaft nur einmal noch langsamer gewachsen. Das war 2020, als Chinas Wirtschaft nach dem Corona-Ausbruch in Wuhan dramatisch abstürzte. Dem folgte aber eine imposante Konjunkturerholung mit einem BIP-Anstieg von 2,2% – und China als einziger Nation mit positivem Wachstum im Pandemiejahr.

Das Erfolgserlebnis mit dem anfänglich sinnvollen, harten Corona-Kontrollregime ist Chinas Staatsführung nicht gut bekommen. Daraus erwuchsen Hybris und ein Überlegenheitsgefühl, das die ideologische Festlegung auf eine „Null-Covid-Politik“ als glorreichem Sonderweg in Sachen Pandemiekontrolle brachte. Im März 2022 ließ die Regierung ein vor dem Hintergrund der Null-Covid-Strategie völlig unrealistisches Wachstumsziel von 5,5% ausrufen, dem kurze Zeit später der verheerende monatelange Lockdown in Schanghai folgte. Im zweiten Quartal brach Chinas Wachstumsrate auf 0,4% ein. Die von Peking wortreich propagierte große Wende mit gewaltigem Konsumboom in der zweiten Jahreshälfte blieb vor dem Hintergrund anhaltender Corona-Restriktionen selbstverständlich aus.

Nun hat Peking die grandios fehlgeschlagene Null-Covid-Politik zwar abgeschafft, aber auf eine so abrupte und chaotische Weise, dass sie nicht nur wirtschaftliche Schäden, sondern auch ein gesellschaftliches Trauma hinterlässt. Die nun über China hinwegfegende Corona-Ansteckungs- und -Todeswelle hinterlässt in der breiten Bevölkerung die bittere Erkenntnis, dass die ihr abverlangten Opfer bei der Befolgung von Corona-Restriktionen letztlich völlig umsonst waren. Im Gegensatz zum Jahr 2020 und der Aufbruchsstimmung nach Überwindung der Wuhan-Katastrophe sieht man 2023 keinen neuen Ruck durch die Bevölkerung gehen. Das wird zwangsläufig Folgen für das Wirtschaftsklima haben und den nun erneut propagierten raschen Konjunkturaufschwung erheblich temperieren.

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