Subventionsstreit

Die umstrittenen Beihilfepläne der EU-Kommission

Einwände aus der EU gegen den Inflation Reduction Act lassen das Weiße Haus kalt. Auf der Suche nach Antworten hat die EU-Kommission klare Vorstellungen – und viel Überzeugungsarbeit vor sich.

Die umstrittenen Beihilfepläne der EU-Kommission

rec/det Brüssel/Washington

Der Subventionsstreit der EU mit den USA ist festgefahren. Kommissionsvizepräsident Valdis Dombrovskis sprach nach einem Treffen mit der US-Handelsbeauftragten Katherine Tai von unveränderten Differenzen. Ohne baldige Fortschritte würden Forderungen aus der Wirtschaft nach einer Reaktion der EU lauter werden.

Immer deutlicher wird in den Verhandlungen über das kritisierte US-Sub­ventionspaket, dass kaum mit weitreichenden Zugeständnissen aus Washington zu rechnen ist. In der EU verlagert sich die Debatte deshalb auf ein eigenes Programm. Am 1. Fe­bruar will die EU-Kommission ihre Vorschläge präsentieren, rechtzeitig vor dem Sondergipfel der Staats- und Regierungschef in der Woche darauf.

Der EU-Kommission schwebt eine zweigleisige Lösung vor: Sie will den Aufbau klimafreundlicher Technologien beschleunigen und dafür neben schnelleren Zulassungsverfahren Beihilfen erleichtern – „gezielt und auf Zeit“, betont EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen. Flankiert werden soll das mit einem neuen Geldtopf, den von der Leyen „Souveränitätsfonds“ getauft hat.

Von der Leyen und ihre mit der Materie befassten Kommissare lassen keine Gelegenheit aus, für diesen Zweiklang zu trommeln. Das eine – laxere Beihilferegeln – sei nicht ohne das andere – eine gemeinsame Finanzierung – zu haben. Ansonsten drohe eine Schieflage zwischen EU-Staaten mit viel und solchen mit wenig Spielraum im Haushalt.

Für Zündstoff ist damit gesorgt. Allen voran Frankreich sympathisiert mit der Idee, die Beihilferegeln zu lockern. Die italienische Regierung hingegen ist strikt dagegen, und nicht nur sie: Das könne niemals die Lösung sein, sagte Belgiens Premierminister Alexander de Croo auf dem Weltwirtschaftsforum. „Dann geht es nur noch darum, wer die tiefsten Taschen hat“. Und es sei ja klar, wer das in der EU ist: Deutschland. Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) plädierte in Davos gegen einen „Wettbewerb, wer mehr Subventionen zahlen kann“. Denn das „würde die Nachhaltigkeit der Staatsfinanzen in Europa gefährden“.

Aus deutscher Sicht ist ein neuer EU-Geldtopf keine Option – erst recht nicht gespeist aus gemeinsamen Schulden. Über die Ausgestaltung kursieren in Brüssel unterschiedliche Vorstellungen. Eine mögliche Kompromisslinie zeigt Eurogruppenchef Paschal Donohoe auf: Der Ire zieht es vor, Mittel aus dem nur teilweise in Anspruch genommenen EU-Wiederaufbaufonds umzuwidmen. Über beide Optionen ist die EU-Kommission in einen Dialog mit den Hauptstädten getreten – Ausgang offen.

„Buy European“

Ranghohe Regierungsmitglieder in Washington verfolgen das Treiben auf der anderen Seite des Atlantiks gelassen. Ihr Credo: Anstatt sich zu beschweren, sollten die Europäer ihre eigene Industriepolitik weiterentwickeln, um eine Antwort auf das insgesamt 740 Mrd. Dollar schwere US-Inflationsbekämpfungsgesetz zu geben. Genauer gesagt auf jene Hälfte, die fast ausschließlich Unternehmen und Verbrauchern in den USA zugutekommt: 369 Mrd. Dollar an Subventionen und Steuergutschriften für die Herstellung und den Kauf von Elektroautos sowie den Ausbau von Solarenergie, grünem Wasserstoff und Energiespeichern.

US-Politiker stellen keineswegs in Abrede, dass Sorgen um Wettbewerbsnachteile berechtigt sind. Vielmehr ermuntern sie die Europäer, Bidens „Buy American“-Strategie nachzueifern: „Ich würde der EU nahelegen, anstatt Einwände gegen ein amerikanisches Gesetz zu erheben, eine eigene ‚Buy European‘-Initiative zu starten“, sagte die Handelsbeauftragte Tai. Dagegen gibt es in der deutschen Wirtschaft Vorbehalte. Ähnlich schätzt Brian Deese, oberster Wirtschaftsberater des Weißen Hauses, die Lage ein. Nach jahrzehntelanger Deregulierung verfolge die US-Regierung unter Biden „eine gezielte Industriepolitik, die zugleich das Fundament für US-Investitionen in historischem Umfang schafft“. Deshalb weigert Deese sich, von der US-Position Abstriche zu machen.

Immerhin haben sich in Gesprächen mit der EU und auf bilateraler Ebene mit Deutschland gewisse Fortschritte abgezeichnet. Auf Empfehlung des Handels- und Technologierats hat Washington in ein Arbeitspapier des Weißen Hauses einen Passus aufgenommen, der die staatlichen Zuschüsse auch Herstellern von Batteriekomponenten für elektrische Autos einräumen würde, die von „vertrauenswürdigen Handelspartnern“ stammen. Dazu zählt Europa. Zudem betonte Wirtschaftsstaatssekretärin Franziska Brantner (Grüne) kürzlich nach politischen Gesprächen in Washington, dass man sich näher gekommen sei: „Wir haben geteilte Interessen und erkannt, dass es keinen Wettlauf nach unten, sondern nach oben geben muss“.

Das könnte sich als Wunschdenken entpuppen. Denn dasselbe US-Regierungsdokument, das Kompromissbereitschaft zu signalisieren scheint, konstatiert an anderer Stelle, dass Autobatterien einen Mindestanteil an Mineralien enthalten müssen, die „entweder in den USA gewonnen und verarbeitet wurden oder in einem Staat, mit dem die USA ein Handelsabkommen haben“. Das trifft nicht auf Deutschland und die EU zu. Der Widerspruch unterstreicht die Gratwanderung, um die Biden bemüht ist: Einerseits ist er im Gegensatz zu seinem Vorgänger Donald Trump darauf aus, Kooperationsbereitschaft zu signalisieren. Andererseits hält er im Wesentlichen an der Art von Brechstangenpolitik fest, die ausschließlich auf US-Wirtschaftsinteressen ausgerichtet ist.

BZ+
Jetzt weiterlesen mit BZ+
4 Wochen für nur 1 € testen
Zugang zu allen Premium-Artikeln
Flexible Laufzeit, monatlich kündbar.