Brexit

Durchbruch im Streit um Nordirland

London und Brüssel haben sich auf neue Regeln für Nordirland geeinigt, die für die Bürger der ehemaligen Unruheprovinz erhebliche Erleichterungen bedeuten. Das weckt Hoffnungen auf eine weitere Annäherung.

Durchbruch im Streit um Nordirland

Die britische Regierung und die EU-Kommission haben sich auf neue Regeln für Nordirland geeinigt, die den Bürgern der ehemaligen Unruheprovinz ihr Leben erleichtern werden. Premierminister Rishi Sunak nannte den Deal einen „Wendepunkt“ für die Menschen dort. Er löse die praktischen Probleme, mit denen sie zu tun hätten, und „erhalte die Ausgewogenheit des Karfreitagsabkommens“, mit dem vor 25 Jahren der nordirische Bürgerkrieg zu Ende ging.

Sowohl Sunak als auch EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen sprachen auf einer gemeinsamen Pressekonferenz in Windsor von einem „neuen Kapitel“ im gegenseitigen Verhältnis. Das weckte Hoffnungen auf eine weitere Annäherung. „Die Bedeutung dieser Einigung geht weit über Nordirland hinaus und wichtig ist nun, dass diese Einigung von allen relevanten politischen Akteuren im Vereinigten Königreich mitgetragen wird“, lautete die Einschätzung der Deutsch-Britischen Industrie- und Handelskammer. Noch steht nicht fest, wann das Unterhaus sich mit dem Thema befassen wird. Der Text der Vereinbarung wurde mittlerweile veröffentlicht. Bemerkenswert ist, dass sich der prominente Brexiteer Steve Baker, der als Staatssekretär im Nordirlandministerium fungiert, hinter den Deal stellte.

Viele Tories machen ihre Zustimmung vom Votum der nordirischen Unionisten abhängig. Die steht noch aus. „Ich habe die Bedenken vieler Unionisten aus erster Hand gehört“, sagte der irische Außenminister Micheál Martin. „Ich glaube, dass sie in diesem Deal eine aufrichtige Antwort auf ihre ernst gemeinten Bedenken sehen werden.“ Stellen sie sich allerdings dagegen, könnte Sunak keine Mehrheit für seinen Verhandlungserfolg haben. Auch von der Leyens Besuch beim König sorgte unter EU-Gegnern für Verstimmung. Doch die Opposition würde Sunak beispringen, sagte der Labour-Außenpolitiker David Lammy. Die Einigung sei überfällig gewesen und „jenseits der Parteipolitik“.

Für Sunak ist sie ein „entscheidender Durchbruch“, der den freien Strom von Waren durch das ganze Vereinigte Königreich ermöglichen wird. Sie werde „jedes Gefühl einer Grenze in der irischen See“ beseitigen. Das Bestreben, eine harte Landgrenze zwischen Großbritannien und der Republik Irland zu vermeiden, hatte de facto zu einer Zollgrenze auf dem Meeresgrund geführt. Künftig soll es im innerbritischen Handel eine „grüne Spur“ für Waren geben, die in Nordirland – und damit im Vereinigten Königreich – verbleiben und keinen Zollformalitäten unterliegen. Für Waren, die für die EU bestimmt sind, ist eine „rote Spur“ vorgesehen.

Steuerliche Veränderungen in Großbritannien werden künftig auch in Nordirland wirksam. Britische Produkte wie Saatkartoffeln, Pflanzen und Bäume werden wieder erhältlich sein. Vom britischen Regulierer zugelassene Medikamente werden automatisch auch in jeder nordirischen Apotheke zu haben sein. Die von Sunak vorgestellte „Stormont-Bremse“, mit der die Abgeordneten des Regionalparlaments in Stormont die Einführung von neuem EU-Recht stoppen könnten, dürfte für nordirische Unionisten wie Nationalisten gleichermaßen interessant sein. Wird sie gezogen, hätte die britische Regierung die Möglichkeit, ein Veto einzulegen.

An der Rolle, die dem Europäischen Gerichtshof in Nordirland zukommt, hat sich nichts geändert, was Unionisten und Brexiteers gleichermaßen ärgern wird. Doch auch die EU-Kommission musste die eine oder andere Kröte schlucken. Dazu gehören Veränderungen am Nordirland-Protokoll, das man in Brüssel eigentlich nicht wieder aufschnüren wollte.

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