Nachhaltigkeit

ESG-Selbstver­pflichtungen auf dem Prüfstand

Zig Nachhaltigkeitsinitiativen im Finanzsektor gibt es. Nach einem stetig wachsenden Zuspruch zu ESG-Selbstverpflichtungen könnte der Trend gedreht haben. Die Regulierung wird wichtiger.

ESG-Selbstver­pflichtungen auf dem Prüfstand

Mehr als 20 Nachhaltigkeitsinitiativen und ESG-Selbstverpflichtungen im Finanzsektor gibt es in Deutschland. Zu den bekanntesten gehört der UN Global Compact mit 19000 Unterzeichnern weltweit. Am anderen Ende des Spektrums findet sich die Initiative zur Selbstverpflichtung des deutschen Finanzsektors zur Erreichung der Ziele des Pariser Klimaabkommens mit 20 Mitgliedern. „Letztlich kann man im Bankenbereich fast von einem Wildwuchs der ESG- und Klimainitiativen sprechen, weil es eine Vielzahl Verpflichtungen gibt, die unterschiedliche ESG-Aspekte auf verschiedenen Ebenen adressieren“, sagt Berater Christoph Betz von KPMG.

Thematisch ist das Spektrum groß. Der Verein Charta der Vielfalt beispielsweise ist eine 2006 veröffentlichte Selbstverpflichtung und setzt sich für ein vorurteilsfreies Arbeitsumfeld mit. Mit der Unterzeichnung der Charta erklären Arbeitgeber, dass sie Chancengleichheit für ihre Beschäftigten fördern werden. 5 137 Mitglieder gibt es in Deutschland und 155 Institute der Finanzbranche von Aareal Bank bis Zurich Gruppe haben unterschrieben.

Ebenfalls ein deutsches Projekt ist der Bundesdeutsche Arbeitskreis für Umweltbewusstes Management (B.A.U.M.), der seine Mitglieder beim Aufbau und bei der Weiterentwicklung von Nachhaltigkeitsstrategien unterstützt und Akteure aus Wirtschaft, Politik, Wissenschaft, Medien und Verbänden vernetzt. „Engagierte Unternehmen erhalten eine Plattform für praxisorientierten Informations- und Erfahrungsaustausch sowie Know-how und Impulse“, heißt es auf der Homepage. Der Netzwerkgedanke dürfte nach Einschätzung von Christoph Betz einer der Gründe für Unternehmen sein, sich einer oder meist mehreren Initiativen anzuschließen.

UN als Vorreiter

Der große Player am Markt der ESG-Selbstverpflichtung sind die Vereinten Nationen. Beim UN Global Compact geht es um nachhaltige und verantwortungsvolle Unternehmensführung. Das Netzwerk hat in Deutschland mehr als 800 Teilnehmer aus Wirtschaft, Zivilgesellschaft und Politik. Es will die 17 Sustainable Development Goals (SDGs) der UN strategisch verankern und zu deren Umsetzung beitragen. Mit ihrem Beitritt zeigten bereits über 19000 Unternehmen weltweit, dass sie diese Vision verwirklichen wollen – so die UN. In Partnerschaft mit dem Umweltprogramm der UN laufen die Principles for Responsible Investment, eine 2006 gegründete Investoreninitiative mit mehr als 4 000 Un­terzeichnern.

Die UN Principles for Responsible Banking zählt insgesamt 490 Mitglieder, darunter 349 Banken, die mehr als die Hälfte der globalen Vermögenswerte im Bankenbereich repräsentieren. Hinzu kommen 143 Versicherungen. Zu den deutschen Banken, die Mitglieder sind, zählen beispielsweise Commerzbank, Deutsche Bank und DZ Bank sowie die Helaba, die Landesbank Baden-Württemberg und Nord/LB.

Anerkannt in der Branche ist auch die Task Force on Climate Related Financial Disclosures (TFCD), bei der es darum geht, wie Unternehmen Risiken des Klimawandels mindern können. Diese Arbeitsgruppe wurde im Dezember 2015 vom G20 Financial Stability Board gegründet. Das Carbon Disclosure Project (CDP) zählt mit Gründung 2000 in London zu den ältesten Non-Profit-Organisationen im Bereich ESG und hat das Ziel, dass Unternehmen ihre Um­weltdaten veröffentlichen.

Gewisse Sättigung

Nach einem stetig wachsenden Zuspruch zu ESG-Selbstverpflichtungen könnte der Trend nach Einschätzung von Berater Betz abflauen. Viele Banken seien aufgesprungen und wollten mit ihrer Mitgliedschaft Akzente setzen. „Ein weiterer Vorteil einiger Selbstverpflichtungen be­steht darin, dass sie ein Netzwerk bieten, um sich z. B. zu Methoden auszutauschen. Jetzt dreht sich der Trend“, sagt Betz. Er sieht eine gewisse Sättigung bei dem Thema und die Häuser kämen außerdem in die Situation, dass sie liefern müssen.

Nicht alle Banken hätten nach Beobachtung von Betz bisher Methoden entwickelt und sich strategische Ziele gesetzt, um ihr Geschäft auf die Pariser Klimaziele und die SDGs der UN auszurichten. „Damit besteht ein Reputationsrisiko.“ Erschwerend für viele Banken komme hinzu, dass man im Rahmen von Selbstverpflichtungen konsequenterweise irgendwann in das Portfolio eingreifen müsse. „Je nachdem, in welchem Feld man tätig ist, kann das schmerzhaft sein. Wenn eine Bank beispielsweise mit einem stark fokussierten oder regionalen Geschäftsmodell unterwegs ist, kann das durchaus an die Substanz gehen, wenn dieses aus ESG-Sicht kritisch ist.“ In Deutschland gibt es neben der globalen Initiativen auch für einzelne Institutsgruppen Zusammenschlüsse in Sachen Klima.

Relativ neu ist die Selbstverpflichtung deutscher Sparkassen und Dienstleistungsunternehmen der Sparkassen-Finanzgruppe für klimafreundliches und nachhaltiges Wirtschaften, die Ende 2020 gegründet wurde und bei der mittlerweile 251 von 376 Sparkassen Mitglied sind, jede dritte Sparkasse ist demnach nicht dabei. „Weniger CO2 auszustoßen und nachhaltiger zu wirtschaften – und zwar im eigenen Haus, bei ihrer Kundschaft und in der Kommune vor Ort“, das sind die Ziele der Sparkassen-Selbstverpflichtung. Sparkassen und Dienstleistungsunternehmen der Sparkassen-Finanzgruppe unterstützen in ihren Geschäftsgebieten mit geeigneten Finanzdienstleistungsunternehmen Privatpersonen und Kommunen auf ihren jeweiligen Wegen zu mehr Nachhaltigkeit und für einen wirksamen Klimaschutz.

Die Regulierung im Bereich ESG und Nachhaltigkeit hat zudem die Selbstverpflichtungen zum Teil eingeholt. Etwa in den Bereichen Offenlegung und Nachhaltigkeitsberichterstattung, wo Forderungen aus den Initiativen vom Gesetzgeber aufgegriffen wurden. „Damit lassen sich an dieser Stelle mit Erklärungen und Mitgliedschaften keine wirklichen Akzente mehr setzen“, sagt Betz.

Der Unternehmensberater glaubt, dass es in Zukunft deutlich weniger Klima- und ESG-Selbstverpflichtung geben werde. „Künftig werden Stakeholder weniger auf Prädikate oder Siegel schauen, sondern auf das tatsächliche Engagement einer Bank. Viele der Initiativen im Bankbereich sind sehr speziell ausgerichtet und dürften an Bedeutung verlieren“, so KPMG-Berater, der allerdings bislang noch keinen dezidierten Rückzug aus Vereinbarungen festgestellt hat.

Vanguard steigt aus

Im Assetmanagement hat kürzlich die US-Vermögensverwalter Van­guard die Initiative für Klimaneutralität Net Zero Asset Managers öffentlichkeitswirksam verlassen. Der Fondsdienstleister mit Sitz in den USA erklärte im Dezember, er wolle mit dem Austritt seine Unabhängigkeit wahren und können alleine die Interessen Ansichten seiner Anleger besser durchsetzen. Zudem könnte eine Vielzahl von solchen Initiativen eher Verwirrung stiften.

Im US-Senat hatten Republikaner zuletzt versucht, Blackrock und Vanguard in ihren ESG-Aktivitäten zu bremsen. Die Vermögensverwalter würden ihre Beteiligungen an Unternehmen nutzen, um eine „liberale politische Agenda“ zu begünstigen. Dabei ging es auch darum, dass manche Klimainitiativen möglicherweise gegen Kartellvorschriften verstoßen.

Die von Vanguard kritisierte Net Zero Asset Managers (NZAM) arbeitet nach eigenen Aussagen im Einklang mit wissenschaftlichen Er­kennt­nissen über die Auswirkungen des Klimawandels und beschäftigt sich mit dem Übergang zu weltweiten Netto-Null-Emissionen. Es geht um den Beitrag der Vermögensverwalter, die Ziele des Pariser Abkommens zu erreichen. Die Initiative hat 291 Unterzeichner mit einem verwalteten Vermögen von 66 Bill. Dollar. Auf Vanguard entfielen davon rund 7 Bill. Dollar.

„Wir haben uns zum Rückzug aus der NZAM entschlossen, um unseren Anlegern die gewünschte Klarheit über die Rolle von Indexfonds zu verschaffen und darüber, wie wir über wesentliche Risiken, einschließlich klimabezogener Risiken, denken“, erklärte Vanguard. Ein Sprecher von Blackrock sagte nach dieser Ankündigung, das Unternehmen bleibe in der NZAM.

Neue Trends

Perspektivisch gibt es aber im Bankensektor Felder, wo das Thema Selbstverpflichtung durchaus noch Potenzial hat, um sich zu differenzieren, beispielsweise im Bereich der Biodiversität. Das Thema wird im Vergleich zu Klima noch vernachlässigt. Bei einigen Banken wiederum arbeitet man am Thema Impact also der Überprüfung bzw. Quantifizierung, welche konkreten Auswirkungen Investments und Kredite in ESG-Hinsicht haben.

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