Touristikkonzern

Massiver Kapitalbedarf lässt Tui-Aktie taumeln

Trotz Liquiditätspolster von 3,7 Mrd. Euro geht die Tui davon aus, in den kommenden Monaten Mittel aus dem KfW-Rettungskredit in Anspruch nehmen zu müssen. Die geplante großvolumige Kapitalerhöhung schlug die Anleger in die Flucht.

Massiver Kapitalbedarf lässt Tui-Aktie taumeln

hei Frankfurt – Mit einem Abschlag von fast 9 % in der Spitze reagierte die Tui-Aktie im Londoner Handel auf eine angekündigte Kapitalerhöhung, die nach den Worten von Finanzvorstand Mathias Kiep bei der Bilanzvorlage des Reisekonzerns für das zurückliegende Geschäftsjahr 2022 (per 30.9.) bis zu 1,8 Mrd. Euro ausmachen dürfte – bei einer aktuellen Marktkapitalisierung von rund 2,8 Mrd. Euro. Die Tui will damit die restlichen Finanzhilfen des Staates, der dem Unternehmen mit insgesamt 4,3 Mrd. Euro unter die Arme gegriffen hatte, im Laufe des kommenden Jahres zurückzahlen.

Der Touristikkonzern hat im abgelaufenen Geschäftsjahr bei einem Umsatz von rund 17 Mrd. Euro einen bereinigten operativen Gewinn (bereinigtes Ebit) von 409 Mill. Euro erreicht, nach tiefroten Zahlen im Vorjahr, und damit „wie angekündigt ein signifikant positives operatives Ergebnis er­zielt“, so der neue CEO Sebastian Ebel vor Journalisten. Dabei habe die Tui „eigentlich erst im vierten Ge­schäftsquartal“, das heißt in den Sommermonaten, „wirklich echtes Geschäft“ betreiben können. Die gesamte erste Hälfte des Turnus fielen nur geringe Umsätze an. Im Sommerquartal allein wurde ein bereinigtes Ebit von 1,04 Mrd. Euro erzielt. Ohne die Störung des Flugverkehrs wäre es noch um rund 100 Mill. Euro höher ausgefallen.

Obwohl sich die Reisenachfrage erfreulich entwickelt hat und sich das Geschäft „in Richtung Normalität bewegt“, traut sich das Unternehmen für den laufenden Turnus 2022/23 noch „keine detaillierte Prognose“ zu, wie Kiep erklärt. In Aussicht gestellt wird eine weitere „starke“ Verbesserung beim Umsatz und ein „signifikanter“ Anstieg beim Ergebnis. Die Nettoinvestitionen sollen auf 450 bis 500 Mill. Euro anschwellen. In der laufenden Wintersaison bleibt es wie schon bisher seit Beginn der Pandemie bei einem ausgeprägt kurzfristigen Buchungsmuster. Da­bei ist der Konzern Ebel zufolge bei rund 84 % des Buchungsniveaus im vergleichbaren Zeitraum von 2019 angekommen. Positiv hob der CEO dabei die „Buchungsqualität“ hervor. Die Kunden tendierten zu höherwertigen Angeboten. Infolgedessen sei der durchschnittliche Verkaufspreis im Winter 2022/23 um 28 % höher als im Vorjahr, so dass auch die Wirkungen der Inflation abgemildert würden. Allerdings rechnet Ebel im kommenden Jahr mit einem Trend zu wieder etwas niedrigpreisigeren Angeboten, auf früherem Normalniveau.

Flexibel gerüstet

Um die Kasse zu schonen, habe Tui für das kommende Jahr ihre Flexibilität bei den Hotelkapazitäten und Vorauszahlungen erhöht, erklärte der Konzernchef. Künftige Wachstumshebel sieht der Manager in Bereichen, wo der Marktanteil der Tui aktuell noch sehr gering ist, beispielsweise bei Nur-Hotel- oder Nur-Flug-Buchungen. Außerdem setze Tui auf neue Produkte und die Gewinnung von Neukunden, vor allem im stark wachsenden Bereich von Tui Musement – Aktivitäten am Urlaubsort –, die der Konzern deutlich ausbauen und auch insbesondere über die digitale Plattform vertreiben will. Für die erste Jahreshälfte von 2023 verzeichnet Tui bereits ein Verkaufsplus von 75 % bei den Aktivitäten. Im vierten Quartal haben alle Sparten deutliches Wachstum ge­zeigt und ein positives Ergebnis erzielt. Den größten Beitrag lieferten die Hotels & Resorts mit 291 (116) Mill. Euro, gefolgt von den Kreuzfahrten mit 103 (−43) Mill. Euro. Markets & Airlines drehten um 750 Mill. auf 612 Mill. Euro ins Plus.

Der Free Cashflow der Tui verbesserte sich im abgelaufenen Turnus um 1,2 Mrd. auf 1,33 Mrd. Euro, so dass sich die Nettoschulden deutlich auf 3,4 Mrd. Euro verringerten. Ziel sei künftig ein Leverage unterhalb des 3-fachen operativen Ergebnisses. Obwohl die Tui mit einer Liquidität von 3,7 Mrd. Euro in die Saison geht, wird dennoch der KfW-Kredit angezapft. Kiep begründete dies unter anderem damit, dass der Konzern für strategisches Wachstum gerüstet sein wolle. Allerdings will er die Staatshilfen insgesamt so schnell wie möglich zurückführen, um die Schulden weiter zu senken und die Zinslast zu verringern. Sie wird für 2023 vorläufig mit 410 bis 430 Mill. Euro angesetzt, ohne Berücksichtigung der anstehenden Eigenkapitalzufuhr.

Es ist bereits die vierte Kapitalerhöhung des gebeutelten Touristikriesen seit Beginn der Pandemie. Wie Kiep erläuterte, werden 800 Mill. bis knapp 1 Mrd. Euro fällig für die Rückgabe der stillen Einlage I sowie der Wandelanleihe über 59 Mill. Euro inklusive Zinsen und Ausgleich für den Wandlungsverzicht. Die genaue Summe hängt von der Entwicklung des Tui-Kurses ab, da sich der Wirtschaftsstabilisierungsfonds das Recht eingeräumt hatte, zum Preis von 1 Euro zu wandeln. Der Ausgleichsanspruch wurde aber bei einem Aktienkurs von 2 Euro gekappt. Darüber hinaus rechnet Kiep damit, dass weitere rund 800 Mill. Euro benötigt werden, um beanspruchte KfW-Mittel zurückzuzahlen. Die geplante Kapitalerhöhung erfolgt aus dem bereits genehmigten Kapital I und II, soll aber in einem Joint-Offering durchgezogen werden. Zustimmungspflichtig ist auf der Hauptversammlung am 14. Februar die geplante Kapitalherabsetzung.

Tui
Konzernzahlen nach IFRS
in Mill. Euro2021/22*2020/21*
Umsatz16 5454 732
Ebitda1 203−1 000
Bereinigtes Ebit409−2 075
Ergebnis vor Steuern−146−2 462
Konzernergebnis−213−2 481
Ergebnisanteil der Tui-Aktionäre−277−2 467
Operativer Cashflow1 692−556
Zinszahlungen373398
Nettoverschuldung3 4364 954
*) Geschäftsjahr zum 30.9.Börsen-Zeitung
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