Chipindustrie

Punktgewinn für Europa

Die geplante Fabrik des US-Chipkonzerns Wolfspeed im Saarland ist eine gute Nachricht für den Wirtschaftsstandort Europa im Allgemeinen und Deutschland im Besonderen.

Punktgewinn für Europa

Im globalen Wettstreit um die führende Rolle auf dem Gebiet von Schlüsseltechnologien hat Deutschland Boden gutgemacht. Wenn die größte Volkswirtschaft der EU bei diesem Thema Fortschritte verzeichnet, hat das Strahlkraft auf die gesamte europäische Wirtschafts- und Wertegemeinschaft.

Denn die Allianz zwischen dem börsennotierten US-Chiphersteller Wolfspeed und dem schwäbischen Technologiekonzern ZF aus Friedrichshafen ist deutlich mehr als nur eine wirtschaftliche Kooperation von zwei Unternehmen in der Halbleiterin­dustrie. Sie bildet auch einen Meilenstein bei dem Ziel der Berliner und Brüsseler Indus­triepolitik, die europäische Chipbranche im Kräftemessen zwischen den USA und Asien, allen voran dem chinesischen Raum, zu festigen. Sollte die EU-Kommission den Plänen des amerikanischen Anbieters, im Saarland eine Produktionsstätte für Hochleistungschips zu errichten, zustimmen, wäre das im inter­nationalen Standortwettbewerb ein Punktgewinn für Europa.

Das engere Zusammenrücken von Wolfspeed und ZF reiht sich ein in eine Vielzahl von Plänen und Initiativen, die Produktionskapazitäten im Halbleitersektor in Deutschland deutlich zu erhöhen. Europas Marktführer Infineon und der Autozulieferer Bosch erweitern ihre Standorte in Dresden, der Branchenriese Intel beabsichtigt, bei Magdeburg ein neues Werk aus dem Boden zu stampfen und Taiwans Industrieikone, der Chip-Vollsortimenter TSMC, lotet zwischen Flensburg und Garmisch-Partenkirchen die Möglichkeit aus, ebenfalls eine Megafabrik zu errichten. Geben die Bundesregierung und Brüssel Taipeh und der TSMC-Führung hierfür grünes Licht, deutet sich ein Chipfertigungsgelände bislang ungeahnten Ausmaßes an. Denn die Devise von TSMC bei Standortentscheidungen lautet: klotzen, nicht kleckern.

Bei all diesen guten Neuigkeiten könnte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen womöglich in Verzückung geraten. Denn sie war es, die vor zwei Jahren mit Blick auf einen schrumpfenden Marktanteil Europas bei der Versorgung mit elektronischen Bauelementen den EU Chips Act initiierte, um auch Fertiger aus Drittländern zum Alten Kontinent zu locken. Doch staatliche Subventionen allein bewegen die Unternehmen nicht zum Handeln. Stattdessen geht es in den obersten Führungsetagen der Adressaten um profitgetriebene Chancen-Nutzen-Analysen. Dass dabei das Hochlohnland Deutschland sehr gut abschneidet, hat mehrere Gründe. Erstens: ein breites technisches Know-how. Zweitens: gut ausgebildete Fachkräfte. Drittens: eine hohe Kompetenz im Design von Qualitätshalbleitern. Viertens: vorhandene Branchen-Fertigungscluster wie in Sachsen. Fünftens: einen wettbewerbsstarken Markt, wie es neben Infineon die Konkurrenten STMicro und NXP beweisen.

Das bietet Investoren insgesamt Planungssicherheit. Im Fall von TSMC spielt zudem die Geopolitik eine Rolle. Angesichts des Drucks von Peking sucht man nach Alternativen, um sich auf den Ernstfall vorzubereiten. Unter dem Strich ist das in Zeiten, in denen aufgrund der Corona-Pandemie die Dominanz von Fernost im globalen Chipmarkt bröckelt, für die EU angesichts eines weltweit wachsenden Bedarfs an Leistungshalbleitern keine schlechte Perspektive.

(Börsen-Zeitung,

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