Gasspeicher

Rough Trade

Centrica ist vorgeworfen worden, Arbitragegeschäfte tätigen zu wollen. Dabei leistet die British-Gas-Mutter durch die Wiedereröffnung des Gasspeichers Rough einen Beitrag zur Versorgungssicherheit.

Rough Trade

Von Andreas Hippin, London

Vor fünf Jahren hat Centrica den unterseeischen Gasspeicher Rough vor der Küste von Yorkshire endgültig außer Dienst gestellt. Es sei unwirtschaftlich, den aus Sicherheitsgründen vorübergehend ge­schlossenen Speicher wieder zu nutzen, lautete die Begründung der FTSE-100-Gesellschaft. Damals gingen die Gaspreise nach unten und die Kosten für seine Instandsetzung wurden auf bis zu 3 Mrd. Pfund geschätzt. Die Regierung wollte das nicht subventionieren. Die Hoffnung auf eine eigene Schiefergas-Industrie (Fracking), der liquide Gashandel mit den europäischen Nachbarn und die Verfügbarkeit von Flüssiggasimporten aus Katar hatten dazu geführt, dass man solche Einrichtungen nicht mehr für nötig hielt. Zum naiven Marktglauben gesellte sich später die Hoffnung, dass die Energiewende schnell zu bewerkstelligen sei und man nicht noch viele Übergangsjahre auf Gas angewiesen sein werde.

Als die British-Gas-Mutter den größten Gasspeicher des Landes in reduziertem Umfang wieder in Betrieb nahm, wurde ihr in den Medien nahezu unisono vorgeworfen, sie wolle Arbitragemöglichkeiten nutzen, die sich aus der Volatilität an den Energiemärkten ergeben. Kurz gesagt: Der Energiekonzern wolle Erdgas einlagern, um es bei Versorgungsengpässen teurer verkaufen zu können.

Versorgung in Gefahr

Der Krieg in der Ukraine hat dazu geführt, dass die Versorgungssicherheit in diesem Winter gefährdet ist, obwohl in der britischen Nordsee Gas gefördert wird. Das alles weiß man nicht erst seit gestern, doch sind die Gespräche zwischen Centrica und der Regierung über eine vollständige Sanierung von Rough bislang ergebnislos verlaufen. Die zuständigen Beamten verhalten sich so, als hätten sie alle Zeit der Welt.

Diesen Winter wird Rough deshalb lediglich ein Fünftel der früheren Kapazität bieten. Dass dadurch die Speichermöglichkeiten des Landes gleich um die Hälfte in die Höhe schießen, zeigt das ganze Ausmaß des Staatsversagens.

Neun Tage reichen die britischen Gasreserven nun. In Deutschland sind es nach Rechnung von Centrica 89, in Frankreich 103, in den Niederlanden 123. Centrica-Chef Chris O’Shea hält einen schnellen Deal nach den monatelangen Verhandlungen für unwahrscheinlich. Auch dass im kommenden Jahr die volle Kapazität genutzt werden könnte, sei unwahrscheinlich. Den Preis werden die britischen Verbraucher zahlen – ein Rough Trade für Gaskunden. Für die Verantwortlichen ist das kein Problem. Die Menschen werden aus der Mehrzahl der von ihnen konsumierten Medien nie erfahren, dass es auch anders gegangen wäre.

Arbitragemöglichkeit

Natürlich gibt es die Möglichkeit für Centrica, mit Hilfe von Rough etwas zu verdienen, nachdem der Gaspreis deutlich zurückgegangen ist. Für das erste und zweite Quartal 2023 werden am Terminmarkt deutlich höhere Preise aufgerufen. Wie die Analysten der UBS Ende Oktober ausführten, lagen die Preise für Lieferung am Folgetag zuletzt nur noch bei 150 Pence pro Therm (rund 29 kWh). Für Anfang kommenden Jahres bewegten sie sich dagegen um 370 Pence pro Therm. Es könne sich allerdings um eine seltene Anomalie handeln, die auf Engpässe in der In­frastruktur zurückgehe. Die Experten der Schweizer Großbank bezifferten den Wert der kurzfristigen Chancen auf einen Pence pro Aktie.

Doch im Grunde müsste Rough verstaatlicht werden. Ein privates Unternehmen wie Centrica ist nicht in der Lage, die erforderlichen Investitionen zu stemmen, um den Gasspeicher wieder voll einsatzfähig zu machen. Langfristig könnte der Speicher dazu dienen, Wasserstoff einzulagern, aber das ist Zukunftsmusik. Es handelt sich um Infrastruktur für die viel beschworene Energiewende. Der Winter naht und das Gas wird knapp. Der neue Premierminister Rishi Sunak sollte die Angelegenheit zur Chefsache machen.

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