Michael Büchsner

Stabilus-CEO sieht „Spielraum für Zukäufe bis 700 Mill. Euro“

Der Auto- und Industriezulieferer Stabilus ist mit kräftigem Wachstum ins neue Geschäftsjahr gestartet. Dennoch fiel der Ausblick vorsichtig aus. CEO Michael Büchsner zu M&A-Optionen, Software und der Austarierung von Industrie- und Autogeschäft.

Stabilus-CEO sieht „Spielraum für Zukäufe bis 700 Mill. Euro“

Herr Büchsner, im ersten Quartal per Ende Dezember ist Stabilus kräftig gewachsen. Trotzdem stellen Sie für das Gesamtjahr nur einen leichten Erlösanstieg in Aussicht. Warum der zurückhaltende Ausblick?

Die makroökonomische Situation muss in unserer Guidance natürlich berücksichtigt werden. Wir sind mit dem Ausblick in unserem gebrochenen Geschäftsjahr immer schon recht früh dran. Zu dem Zeitpunkt, als wir die Guidance erstellt haben, gab es einige Unsicherheiten mit Blick auf die Ukraine, die Lockdowns in China oder auch die Inflation, die auch heute noch anhalten. Gerade mit Blick auf China ist es schwer zu sagen, wie und wann das Land aus der Pandemie kommt. Der erste Monat in 2023 war zwar schwach. Allerdings fiel dieses Jahr auch das chinesische Neujahrsfest in den Januar. Die Inflation hat derweil im Januar stärker nachgelassen als gedacht. Aber das kann auch wieder drehen. All diese Faktoren haben wir in unserer Guidance von 1,1 Mrd. bis 1,2 Mrd. Euro Umsatz und 13 bis 14% bereinigte Ebit-Marge berücksichtigt.

Welchen Einfluss hat denn die Inflation auf Ihr Geschäft? Welche Bedeutung hat etwa der starke Dollar?

Das US-Geschäft hat bei uns mittlerweile einen Anteil von gut 30%, Asien etwa 20%. Der Rest ist mit 45 bis 50% Europa. Der starke Dollar hat im Wechselspiel mit dem Peso derzeit sogar einen negativen Effekt für uns. Es gibt in Nordamerika zwischen den einzelnen Regionen viele Wechselwirkungen. Da kommt es auch immer darauf an, wo die Rohstoffe und Vorprodukte eingekauft werden. Wir sind aber so aufgestellt, dass wir bevorzugt in der Region für die Region produzieren. Wir setzen also auf Natural Hedging. Der starke Dollar kommt uns daher gar nicht so zugute. Das gleicht sich jedoch aus, wenn man alle Regionen betrachtet. Unsere Philosophie ist „in der Region für die Region“.

Sie haben die Dividende in diesem Jahr um 50 Cent auf 1,75 Euro je Aktie angehoben. Was ist denn generell die Dividendenpolitik von Stabilus?

Für uns ist es ein ganz wichtiger Punkt, die Investoren am Unternehmenserfolg teilhaben zu lassen. Unsere Dividendenpolitik sieht eine Ausschüttung von 20 bis 40% des Nettogewinns vor. Dieses Jahr sind wir da näher an das obere Ende der Spanne gefahren. Die Anhebung auf 1,75 Euro je Aktie ist ent­sprechend gut angekommen. Man muss aber auch bedenken, dass in den vergangenen Jahren aufgrund der Corona-Pandemie die Ausschüttung etwas knapper bemessen war. Jetzt haben wir daher etwas tiefer in die Tasche gegriffen, eben um unsere Investoren stärker zu beteiligen.

Ihre Verschuldung ist zuletzt auch deutlich gesunken. Ihr Leverage Nettoschulden zu Ebitda liegt aktuell bei 0,3. Sie könnten also zukaufen. Sehen Sie sich als Konsolidierer in der Zuliefererindustrie?

Wir sehen zwar Konsolidierung im Markt, aber nicht in dem Ausmaß, wie es schon mal war. Insbesondere für den Automobilbereich gilt das. Auf der Industrieseite wird schon stärker konsolidiert. Allerdings sind die Multiples gerade im Technologiebereich aktuell noch sehr hoch, auch wenn sich die finanzielle Lage einiger Unternehmen in dem Sektor zunehmend schwierig gestaltet. Wir wollen uns mit Stabilus im Industriebereich insbesondere auf der elektromechanischen Seite verstärken. Wir haben dafür auch einiges Kapital an der Hand und sind im Prinzip permanent auf der Suche nach geeigneten Kandidaten für eine Übernahme.

Über welche Größenordnung reden wir da?

Im Visier haben wir Ziele mit einer Umsatzgröße von 30 Mill. bis 150 Mill. Euro pro Jahr. Wir wollen uns im Industriebereich global auf der Erlösseite noch einmal steigern. Dabei halten wir es aber wie andere Industrieunternehmen auch: Generell versuchen wir beim Leverage nicht über eine 3 zu kommen. Da haben wir also noch einigen Spielraum für Investitionen im Volumen bis zu 700 Mill. Euro.

Momentan macht Automotive bei Stabilus noch knapp zwei Drittel der Erlöse aus, die Industrie nur ein Drittel. Welche Aufteilung ist das Ziel? Ist ein ausgeglichenes Verhältnis gewünscht?

Wir sind aus meiner Sicht jetzt schon recht gut aufgestellt. In der Coronakrise hat man gesehen, dass der Industriebereich geeignet ist, plötzlich nachlassendes Geschäft im Automobilbereich auszugleichen. Langfristig streben wir ein relatives Gleichgewicht zwischen Automotive- und Industriegeschäft an. Das ist ein entscheidendes Element unserer Strategiepyramide bis 2030. Andere Bausteine sind Elektrifizierung, Sensorik und Software.

Da Sie die Software ansprechen: Wie viele Softwareingenieure arbeiten bei Stabilus? Sehen Sie die Entlassungswellen im Silicon Valley als Chance, Softwareingenieure zu gewinnen?

Wir haben 45 Softwareingenieure, die in den drei Regionen Europa, Asien und Nordamerika sitzen. Das Zentrum unserer Softwareentwicklung ist unser Standort Detroit in Nordamerika. Wir erhoffen uns natürlich schon, dass wir das eine oder andere Talent aus dem Silicon Valley für einen Umzug vom sonnigen Kalifornien ins kalte Michigan begeistern können. Für viele Softwareingenieure ist es spannend, in ein Unternehmen einzusteigen, das Softwareanwendungen sowohl in der Industrie als auch im Automobilbereich entwickelt und damit sehr vielfältige Aufgaben bietet.

Wenn Sie vom Umzug ins kalte Michigan sprechen: Mobiles Arbeiten aus Kalifornien heraus ist bei Stabilus keine Option?

Remote-Arbeit wird von uns unterstützt und ist bei Softwareingenieuren auch nicht wegzudenken. Andererseits ist es uns auch sehr wichtig, dass man die Unternehmenskultur erlebt. Für Softwareingenieure heißt das, dass etwa eine von vier Wochen in einem Hub gearbeitet werden sollte. Für einige Kandidaten ist das tatsächlich schon ein ausreichender Grund, einen Job nicht anzunehmen. Bislang klappt es aber noch immer ganz gut, Softwareingenieure nach Detroit zu holen.

Die Elektrifizierung ist gut angelaufen. Zuletzt haben sich die Preise für E-Autos aber erhöht. Welchen Einfluss hat die Hochlaufgeschwindigkeit der E-Mobilität auf Stabilus?

Generell wird sich die Zukunft der Antriebe daran entscheiden, wie sich Wasserstoff- und Batterietechnologie weiterentwickeln. Die Antriebsart, die praktikabler, aber auch ausreichend verfügbar ist, wird sich am Ende durchsetzen. Das Gute für Stabilus ist, dass wir auf die Vereinfachung und den Komfort von Bewegungssteuerung ausgerichtet sind. Wir sind praktisch antriebsunabhängig. Gasfedern bei Motorhaube oder Kofferraum, Türautomatik, etc. – das sind alles Produkte, die den Komfort erhöhen. Das hilft uns, dass wir unabhängiger von der Antriebstransformation sind als andere Anbieter.

Dann spielt Ihnen die Transformation aber auch nicht in die Karten?

Doch. Wir profitieren vom Elektrifizierungstrend. Das liegt daran, dass sich im Elektroauto die Geräuschkulisse im Fahrzeug reduziert. Die Komfortelemente müssen also sehr viel leiser gestaltet werden. Da haben wir technologische Vorteile. Außerdem fahren zunächst vor allem finanzkräftigere Autofahrer elektrisch. Die sind dann auch bereit, in Komfortfunktionen zu investieren. Wer ein Elektroauto kauft, hat bestimmte Erwartungen an das Fahr- und Bedienerlebnis. Dazu gehören die sich automatisch öffnende Heckklappe und je nach Modell auch automatische Autotüren. Als Experte für Bewegungssteuerung spielt uns die Elektrifizierung hier also in die Karten.

Das Interview führte

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