US-Immobilienmarkt

Trübe Aussichten für den US-Häusermarkt

Hohe Preise und steigende Zinsen machen den Hauskauf in den USA für viele unerschwinglich. Zwar gehen die Preise langsam wieder zurück. Bestehende Eigenheime kommen aber nur wenige auf den Markt, und Bauunternehmen wollen derzeit nicht mehr investieren, auch aus Angst vor einer Rezession.

Trübe Aussichten für den US-Häusermarkt

Der US-Häusermarkt steht an der Schwelle zur ersten Krise seit 15 Jahren. Die Bauinvestitionen sind tief eingebrochen, trotz des geringen Angebots an Eigenheimen sinken die Preise, und der steile Anstieg der Hypothekenzinsen hat der Nachfrage einen kräftigen Dämpfer versetzt. Ökonomen warnen vor einem perfekten Sturm, der sich zusammenbrauen könnte. Dazu gesellt sich nun auch die wachsende Gefahr einer Rezession, die neue Risiken für den Immobilienmarkt heraufbeschwören würde. Ein Ende der langsamen aber steten Abwärtsspirale scheint derzeit jedenfalls nicht in Sicht zu sein.

Seit dem Ausbruch der Corona-Pandemie hat sich am US-Häusermarkt eine dramatische Wende vollzogen. Beflügelt wurde der Markt ab dem Frühjahr 2020 von der ultralockeren Geldpolitik der Fed. Mit ihrer Nullzinspolitik und dem massiven Ankauf von hypothekenbesicherten Anleihen trug die Notenbank dazu bei, dass die Hypothekenzinsen auf einen historischen Tiefststand fielen. Die billigen Finanzierungsmöglichkeiten kurbelten wiederum die Nachfrage an und führten dazu, dass die Eigenheimpreise mit Jahresraten von fast 20% hochschossen.

Ein weiterer Grund für die Preissteigerungen war während der Pandemie in der wachsenden Beliebtheit des Homeoffice zu sehen. Schließlich zogen es Hauseigentümer trotz der Wertsteigerungen vor, ihre Immobilien zu behalten. Dies wiederum begrenzte das Angebot an Eigenheimen, die zum Verkauf angeboten wurden und trieb die Preise noch weiter hoch. Eine inflationäre Wirkung entfalteten auch die Lieferkettenstörungen, die Materialkosten, insbesondere die Preise für Bauholz, kräftig hochtrieben. Gleichzeitig wurde die Nachfrage von Erstkäufern getrieben, die sich die niedrigen Zinsen zunutze machen wollten, und von Haushalten, die angesichts der wachsenden Bedeutung des Home­office ihren Lebensraum ausweiten wollten und daher größere Immobilien suchten.

Warnungen vor Preisblase

Das Ergebnis des krassen Missverhältnisses zwischen Angebot und Nachfrage: Jene, wenigen Eigentümer, die bereit waren, sich von ihrer Immobilie zu trennen, bekamen häufig zahlreiche Angebote und verkauften ihr Haus deutlich über dem Listenpreis. Für die Preishausse am Häusermarkt schien kein Ende in Sicht zu sein, und einige Experten warnten vor der Gefahr einer neuen Preisblase, wie sie sich 15 Jahre zuvor während der Subprime-Krise gebildet hatte. Diese hatte wiederum die Initialzündung für die globale Finanzkrise gegeben und mündete schließlich in eine Weltrezession.

Zwar geben andere Entwarnung und weisen darauf hin, dass seit der Rezession der US-Kongress die regulatorischen Zügel straffer gezogen hat und die Risiken daher diesmal deutlich geringer seien. Insbesondere durch das Verbot sogenannter „Low Doc“ Darlehen. Diese hatten während der Subprimekrise ohne Einkommens- und Vermögensnachweis oder Überprüfung der Bonität die Kreditvergabe an völlig unqualifizierte Käufer ermöglicht und somit dem anschließenden Einbruch Vorschub geleistet. Trotz der verschärften Aufsicht lauern heute aber dennoch Gefahren, und der Kursschwenk durch die Notenbank hat die größten Risiken nun schonungslos ans Tageslicht gebracht.

Die Wende begann, als die Fed Ende vorigen Jahres begann, den Ankauf von Staatsanleihen und den Erwerb von „Mortgage Backed Securities“ (MBS), also hypothekenbesicherten Wertpapieren zurückzufahren (Tapering). Bis dahin hatte die Notenbank MBS für 1,4 Bill. Dollar angehäuft und einen maßgeblichen Beitrag zu den historisch niedrigen Hypothekenzinsen geleistet. Der Zinssatz für Hypothekenkredite mit 30-jährlicher Laufzeit, die von den meisten Hauskäufern aufgenommen werden, setzt sich zusammen aus der Rendite zehnjähriger Staatsanleihen und einem Risikoaufschlag, der stark geschrumpft war, als die Fed ihre ultralockere Geldpolitik betrieb. Zeitgleich mit dem Tapering begann aber die Risikoprämie, die bei Häuserkrediten berechnet wird, wieder zu steigen.

Der Anstieg beschleunigte sich, als der Offenmarktausschuss der Fed (FOMC) dann im März die erste von bisher sechs Leitzinserhöhungen beschloss und sie ab Juni begann, ihre Bilanzsumme abzuschmelzen. Heute ist die Spanne zwischen der Rendite 10-jähriger Staatstitel und dem Hypothekenzins größer als vor dem Ausbruch der Corona-Pandemie. Kürzlich stieg der durchschnittliche Zinssatz für 30-jährige Hypotheken auf über 7% und erreichte damit den höchsten Stand seit 2007.

Das wiederum hat handfeste Folgen für Käufer, die den Hauskauf über 30 Jahre finanzieren wollen. Wie der Online-Immobiliendienstleister Redfin errechnet hat, ist heute ein jährliches Haushaltseinkommen von 107000 Dollar erforderlich, um den Kauf eines „durchschnittlichen Eigenheims“ zu finanzieren. Das ist gegenüber Oktober 2021, als das erforderliche Einkommen bei knapp 74000 Dollar lag, ein Anstieg um 45%.

Träume zerplatzen

Dadurch zerschlägt sich nicht nur für Millionen von potenziellen Käufern der Traum vom Hauskauf. Gepaart mit dem nach wie vor begrenzten Angebot birgt die schrumpfende Nachfrage – eine direkte Folge der hohen Zinsen – Zündstoff für den Immobilienmarkt und selbst die Ge­samt­wirt­schaft. Das gleichzeitige Fehlen von Angebot und Nachfrage bedeutet nämlich, dass keine Impulse vorhanden sind, die den Häusermarkt beleben könnten. Das wiederum schlägt sich nicht nur in der sinkenden Zahl von Immobilientransaktionen, sondern auch in der Investitionstätigkeit nieder, die zudem unter der wachsenden Angst vor einer Rezession leidet.

Von wenigen Ausnahmen abgesehen signalisieren nämlich die relevantesten Indikatoren eine deutliche Abschwächung. So brachen nach Angaben des Handelsministeriums im dritten Quartal des laufenden Jahres die Wohnungsbauinvestitionen um 27% ein. „Dieser Rückgang allein subtrahierte fast 1,4 Prozentpunkte vom Wirtschaftswachstum“ erklärt Gregory Daco, Chefvolkswirt bei EY Parthenon.

Andere Werte zeichnen ebenfalls ein düsteres Bild. So ist die Zahl der Baubeginne geschrumpft, auch haben die Kaufaktivitäten eine Talfahrt angetreten. Die Verkäufe neuer Eigenheime gingen auf Jahressicht im September um 11% und August um 29% zurück. Zwar sorgte der Anstieg im Oktober für eine Überraschung. Gerade in den Wintermonaten wird aber erwartet, dass sich der Abwärtstrend wieder fortsetzt. Neben der Schwäche bei Investitionen und der Kauftätigkeit sind nun auch sinkende Preise zu beobachten. Wie die Federal Housing Finance Agency (FHFA) berichtete, gaben die Eigenheimpreise im Juni, Juli und August nach – das erste Mal seit der letzten Krise, dass ein solcher Trend zu beobachten war. Nicht zu unterschätzen sind dabei nach Ansicht von Experten auch die psychologischen Auswirkungen der nunmehr sinkenden Immobilienpreise auf die Verbraucher.

Folgen für Verbraucher

Schließlich machen Konsumausgaben in den USA fast 70% des Bruttoinlandsprodukts (BIP) aus. Zudem ist für die meisten Hauseigentümer das in der eigenen Immobilie gebundene Kapital ihr größter Vermögenswert. Jim Baird, Chief Investment Officer bei der Vermögensverwaltung Plante Moran Financial Advisors ist davon überzeugt, dass eine direkte Korrelation zwischen der Verbilligung bei Eigenheimen und dem Umfang des Privatkonsums be­steht. „Die Kontraktion am Immobilienmarkt ist ein realer Vermögensverlust für die Eigentümer und führt dazu, dass sie ihre Ausgaben in anderen Bereichen zurückschrauben“, sagt Baird. Das wiederum lastet auf dem Wirtschaftswachstum.

Während die Gefahr eines tiefen Einbruchs wie vor 15 Jahren sehr gering erscheint, zerbrechen sich Experten dennoch den Kopf darüber, wie verhindert werden kann, dass die Branche in eine Krise abgleitet. Die Empfehlungen haben eine große Bandbreite. Der Internationale Währungsfonds (IWF) fordert, dass deutlich mehr Geld in den öffentlichen Wohnungsbau investiert wird. Der daraus resultierende Wettbewerb könnte unter anderem bewirken, dass private Bauunternehmen ihre Preise weniger stark anheben. US-Politiker würden gerne steuerliche Anreize einführen, sowohl für den Wohnungsbau als auch den Erwerb des ersten Eigenheims durch jüngere Haushalte, für die der Hauskauf unerschwinglich geworden ist. Das regulatorische Rahmenwerk dürfte in den USA robust genug sein, um einen neuerlichen Absturz zu verhindern. Dass die Preise weiter sinken werden, Bauunternehmen sich mit neuen Investitionen zurückhalten dürften und sich die Aussichten für die Branche stark eingetrübt haben, ist aber unbestreitbar. Bleibt nur zu hoffen, dass die Hy­pothekenzinsen langsam wieder zurückgehen und die Re­zession vielleicht doch ausbleibt.

Von Peter De Thier, Washington

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