Sabine Klauke

„Wir gucken uns vieles bei den Vögeln ab“

Der europäische Flugzeugbauer Airbus will 2035 ein emissionsfreies Flugzeug in Dienst stellen. Es ist nicht das einzige Projekt, das helfen soll, Flugreisen nachhaltiger zu machen. Parallel dazu forscht Airbus zum Einsatz von alternativen SAF-Treibstoffen, der Optimierung bestehender Modelle und dem Air Traffic Management.

„Wir gucken uns vieles bei den Vögeln ab“

Von Gesche Wüpper, Paris

Sie arbeitet in einer männerdominierten Branche und steht beim Thema Nachhaltigkeit an vorderster Front. Als Technikchefin von Airbus leitet Sabine Klauke die Forschungsprojekte, die klimaneutrales Fliegen möglich machen sollen. Immerhin hat der europäische Luft- und Raumfahrtkonzern mitten in der Coronakrise im September 2020 versprochen, 2035 ein emissionsfreies Flugzeug in Dienst zu stellen. 2035, das klingt weit weg. Doch in der Luftfahrtindustrie mit ihren langen Zyklen ist das schon morgen.

„Wenn wir nicht in Zukunftstechnologien investieren, verlieren wir unsere ‚licence to operate‘, unsere Daseinsberechtigung für die Zukunft“, sagt Klauke im Gespräch mit der Börsen-Zeitung am Rande des Aerospace African Forums. „In diesem Jahr wollen wir bei Airbus 13 000 neue Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter einstellen. Ein Schwerpunkt werden Profile zum Thema Dekarbonisierung, digitale Transformation, Software Engineering und Cybersecurity sein.“ Insgesamt sind bei dem Luft- und Raumfahrtkonzern 12 000 Mitarbeiter in der Forschung und Entwicklung tätig, einem Bereich, in den Airbus pro Jahr 3,1 Mrd. Euro investiert. Eine Summe, die sich jetzt stabilisieren dürfte.

Testflug 2026

Eines der wichtigsten Projekte auf dem Weg zum emissionsfreien Fliegen ist der sogenannte ZeroE, ein wasserstoffbetriebenes Flugzeug. „Wir machen die Technologie dafür in einzelnen Bausteinen reif“, berichtet die in Aachen geborene Maschinenbauingenieurin. „Dafür entwickeln wir verschiedene Demonstratoren, darunter eine A380, die mit einem zusätzlichen Triebwerk ausgestattet ist, und mit Tanks für Wasserstoff in der Kabine. Das Testflugzeug soll 2026 abheben.“

Daneben sei ein zweiter Demonstrator auf Basis einer Brennstoffzelle geplant, sagt die Airbus-Technikchefin. „Das sind zwei Technologien, die wir parallel entwickeln.“ Denkbar seien aber auch hybride Technologien. „Wir wollen 2028 entscheiden, welche Technologie ausgewählt wird“, erklärt Klauke. „Ziel ist, dann ein Flugzeugprogramm zu starten.“

Zwar gebe es in der Raumfahrt bereits Erfahrungen mit Wasserstoff als Treibstoff. „Aber das müssen wir übertragen“, gibt Klauke zu bedenken. „Es geht ja nicht darum, einmal zum Mond zu fliegen, sondern mehrmals täglich nach Mallorca.“ Zu den Technologie-Bausteinen, die Airbus nun entwickelt, gehören Tanks aus Metall und Verbundstoffen, in denen der Wasserstoff transportiert werden kann. „Sie müssen doppelwandig sein, da flüssiger Wasserstoff eine Temperatur von minus 253 Grad Celsius hat“, erklärt Klauke. „Ventile, einfach alles bei den Tanks muss bei sehr großer Kälte funktionieren.“

Ein weiteres Thema sind Triebwerke. Zusammen mit CFM, einem Joint Venture von Safran und GE Aviation, entwickelt Airbus ein Triebwerk für den Demonstrator. „Gemeinsam mit unserem Partner ElringKlinger haben wir Brennstoffzellen für den Einsatz in der Luftfahrt vorbereitet und testen sie nun in unserem elektrischen Powerhouse in Ottobrunn“, sagt Klauke. „Wir können das nicht alles alleine stemmen, deshalb arbeiten wir mit Partnern zusammen. Wir müssen das gesamte Ökosystem voranbringen. Da sehen wir uns als Katalysator.“

Eines der größten Risiken besteht nach Ansicht der Airbus-Technikchefin darin, dass sowohl Infrastrukturen als auch Gesetzgebung und Zertifizierungsprozesse rechtzeitig zur Verfügung stehen müssen, damit das emissionsfreie Flugzeug tatsächlich wie geplant 2035 seinen Dienst aufnehmen kann. Um das vorzubereiten, ist Airbus auch mit Flughäfen rund um den Globus Partnerschaften eingegangen.

„Die Nutzung von Wasserstoff ist über Direktverbrennung oder über Brennstoffzellen möglich“, stellt Klauke klar. „Es könnte aber hybride Antriebe geben.“ Damit nicht genug. „Wir müssen Flugzeuge auch insgesamt verbessern und leichter machen und Triebwerke weiterentwickeln“, erklärt sie. „Auch die Art, wie wir Flugzeuge nutzen, müssen wir verbessern. Dabei kann die Flugsicherung helfen, etwa indem sie Flugzeuge optimal steigen und sinken lässt, die Abstimmung verbessert und Warteschleifen vermeidet.“

SAF-Anteil muss zunehmen

Eine wichtige Rolle auf dem Weg zu einer nachhaltigeren Luftfahrt spielen alternative Treibstoffe, das sogenannte SAF (sustainable aviation fuel). Dabei gibt es sowohl Biofuels als auch synthetisch hergestellte. „Egal, ob es um Wasserstoff oder SAF geht: Wir brauchen saubere Energie“, fordert Klauke. „Wichtig ist für uns auch, dass es ein weltweit abgestimmtes Vorgehen gibt.“ Bereits jetzt sind alle Flugzeugmodelle von Airbus dafür zertifiziert, dass sie mit bis zu 50 % SAF fliegen. „Bis Ende des Jahrzehnts sollen sie mit 100 % SAF fliegen können.“ Der Flugzeugbauer setzt SAF auch auf internen Flügen zum Transport von Teilen zwischen den einzelnen Standorten ein. Beschaffung und Verfügbarkeit sind essenziell, damit der Anteil von SAF weiter steigt. „Für uns ist wichtig, alles parallel zu machen: das ZeroE-Projekt, SAF, die Optimierung unserer Flugzeuge und Triebwerke, Air Traffic Management“, so Klauke. Gewichtseinsparungen, verbesserte Aerodynamik und die Recyclingfähigkeit von im Flugzeug eingesetzten Materialien könnten helfen, die Luftfahrt nachhaltiger zu gestalten. „Neue Flügel werden länger, schmaler und klappbar sein, so dass sie ihre Stellung verändern können“, erklärt sie. „Da gucken wir uns vieles bei den Vögeln ab.“

Der Formationsflug von Gänsen hat den Flugzeugbauer für den sogenannten „fello‘ fly“ inspiriert, bei dem zwei Flugzeuge in relativ engem Abstand versetzt hintereinander herfliegen. „Wir haben schon in Anlehnung an den Formationsflug von Zugvögeln einen Testflug mit zwei A350s von Toulouse nach Kanada gemacht, bei dem die Flugzeuge einen Abstand von etwa drei Kilometer hatten“, berichtet Klauke. „Das bringt Einsparungen von 5 %.“ Solche Flüge könnten in fünf Jahren zum Einsatz kommen.

Das ist auch wichtig, da viele der Flugzeuge, die jetzt im Einsatz sind, auch 2035 noch fliegen werden. Dass das Wasserstoffflugzeug, das Airbus bis dahin fertig haben will, ein sogenannter Nurflügler sein könnte, glaubt Klauke nicht. „Das Konzept bietet einige Vorteile und bleibt deshalb interessant.“ Ebenso wenig rechnet Klauke damit, dass das Ein-Personen-Cockpit oder pilotenlose Flugzeuge im Passagierverkehr in den nächsten Jahren kommen werden. „Für uns ist die Sicherheit das Wichtigste“, sagt sie. „Wir wollen den Piloten mehr Hilfestellung geben, ihre Arbeitsbelastung während des Fluges reduzieren und so einen weiteren Beitrag zur Erhöhung der Flugsicherheit leisten.“ Deshalb dürfte künstliche Intelligenz künftig eine größere Rolle im Cockpit spielen.

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