Urteil des Bundesverfassungsgerichts

60-Mrd.-Euro-Loch im Klima- und Transformationsfonds

Das Bundesverfassungsgericht hat die Finanzierung des Klima- und Transformationsfonds für verfassungswidrig erklärt. Das Urteil reißt ein 60-Mrd.-Euro-Loch in die Ausgabenpläne der Ampel.

60-Mrd.-Euro-Loch im Klima- und Transformationsfonds

Klimafonds muss neu aufgestellt werden

Umwidmung von Coronahilfen zur Finanzierung verfassungswidrig – Ausgaben vorerst gesperrt – 60-Mrd.-Euro-Loch

Das Bundesverfassungsgericht hat die Finanzierung des Klima- und Transformationsfonds insbesondere wegen eines Verstoßes gegen die Schuldenbremse für verfassungswidrig erklärt. Das Urteil reißt ein 60-Mrd.-Euro-Loch in die Ausgabenpläne der Ampel. Der Haushalt 2024 soll davon nicht betroffen sein.

ahe Berlin

Das Bundesverfassungsgericht hat das Umwidmen nicht verbrauchter Corona-Kreditermächtigungen zur Finanzierung des Klima- und Transformationsfonds (KTF) als verfassungswidrig eingestuft. Die Karlsruher Richter erklärten am Mittwoch das Zweite Nachtragshaushaltsgesetz 2021, in dem diese Entscheidung festgezurrt wurde, für nichtig. Nach Angaben der Vorsitzenden des zuständigen Zweiten Senats, Doris König, verringern sich damit rückwirkend die dem KTF zur Verfügung stehenden Finanzmittel um 60 Mrd. Euro. Soweit bereits eingegangene Verpflichtungen aufgrund dieses verringerten Umfangs des Fonds absehbar nicht mehr bedient werden könnten, "muss dies durch den Haushaltsgesetzgeber anderweitig kompensiert werden", stellte König in ihrer Urteilsbegründung fest.

Die Bundesregierung hatte allein im kommenden Jahr Projekte im Volumen von 57,6 Mrd. Euro aus dem Sondervermögen finanzieren wollen. Allein für die Förderung der Wärmewende in Gebäuden und für erneuerbare Energien waren mehr als 30 Mrd. Euro eingeplant. Auch die Entwicklung von E-Mobilität, der Hochlauf der Wasserstoffwirtschaft, Strompreiskompensationen oder ein Teil der Erneuerung der Bahninfrastruktur sollte über den KTF laufen. Bis 2027 hatte der bisherige Wirtschaftsplan Ausgaben von 212 Mrd. Euro vorgesehen.

Diese Planungen sind nun vorerst obsolet, wie die drei Koalitionsparteien unmittelbar nach dem Urteil bestätigten. Bundesfinanzminister Christian Lindner kündigte eine Sperre des KTF-Wirtschaftsplans an. Davon betroffen seien die Verpflichtungsermächtigungen, die ab 2024 jetzt nicht mehr belegt werden dürften, sagte er. Ausgenommen davon seien Maßnahmen zur Förderung der Energieeffizienz und der erneuerbaren Energien im Gebäudebereich. Nach Angaben des FDP-Chefs will die Koalition jetzt umgehend damit beginnen, einen neuen Wirtschaftsplan für den Klima- und Transformationsfonds aufzustellen.

Verstoß gegen Schuldenbremse

Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck, der die Federführung für einen Großteil der aus dem KTF finanzierten Projekte hat, stellte klar, dass alle zugesagten Verpflichtungen eingehalten würden. Nur könnten neue Verpflichtungen erst dann eingegangen werden, wenn der neue Wirtschaftsplan aufgestellt sei.

Das Verfassungsgericht nannte für seine Entscheidung drei Gründe, die jeweils für sich schon tragfähig sind: Dabei ging es insbesondere um die Ausnahmeregelungen in der Schuldenbremse im Falle außergewöhnlicher Krisen, die in dem Urteil erstmals konkretisiert wurden. Nach Einschätzung der Richter wurde beim Einbringen nicht verbrauchter Corona-Kreditermächtigungen in den KTF der notwendige Zusammenhang zwischen einer festgestellten Notsituation und den ergriffenen – kreditfinanzierten – Maßnahmen zur Krisenbewältigung nicht ausreichend dargelegt. Zudem sei es nicht zulässig, durch den Einsatz von Sondervermögen die Haushaltsgrundsätze der Jährlichkeit, Jährigkeit und Fälligkeit zu umgehen, hieß es. Eine faktisch unbegrenzte Weiternutzung von notlagenbedingten Kreditermächtigungen in nachfolgenden Haushaltsjahren ohne Anrechnung auf die Schuldenbremse sei unzulässig. Und drittens müsse ein Nachtragshaushalt bis zum Ende des jeweiligen Haushaltsjahres parlamentarisch beschlossen sein. Die Ampel hatte die Kreditermächtigungen erst im Februar 2022 nachträglich in den KTF verschoben.

Die Schlussberatungen im Bundestag über den regulären Bundeshaushalt 2024 sollen von dem Urteil aus Karlsruhe nicht betroffen sein. Bereits am Donnerstag steht unverändert die Bereinigungssitzung für das Budget auf der Agenda, wie Bundeskanzler Olaf Scholz nach Gesprächen mit den Fraktionsvorsitzenden der Ampel-Parteien mitteilte.

CDU-Chef Friedrich Merz, dessen Fraktion gegen den umstrittenen Nachtragshaushalt vor Gericht gezogen war, forderte dagegen, die Haushaltsberatungen zu unterbrechen. Das Urteil "entzieht der gesamten Finanz- und Haushaltsplanung der Bundesregierung die Grundlage", betonte er. Dies sei das Ende aller kreditfinanzierten Schattenhaushalte. Nach Einschätzung von Merz dürfte von dem Urteil auch der Wirtschaftsstabilisierungsfonds (WSF) betroffen sein, der eine ähnliche Konstruktion wie der KTF habe.

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