Nach Zwangslandung

Airlines meiden Belarus

Der ehemaligen Sowjetrepublik drohen wichtige Einnahmen zu entgehen, da immer mehr europäische Fluggesellschaften ihre Flüge über das Land umleiten. Der Branchenverband IATA fordert eine internationale Untersuchung der erzwungenen Landung in Minsk.

Airlines meiden Belarus

wü Paris

Immer mehr europäische Fluggesellschaften folgen der Empfehlung der Europäischen Union (EU), nach der Pfingstsonntag mit Hilfe eines Kampfjets erzwungenen Landung einer Boeing 737 von Ryanair in Minsk Flüge durch den belarussischen Luftraum zu vermeiden. Trotz einer zunehmenden Isolierung von Belarus war der Luftraum des Landes bisher nach wie vor ein wichtiges Überfluggebiet für Flüge von Westeuropa nach Russland oder Asien. Dies galt umso mehr, als viele Airlines einen Teil des Luftraums über der Ukraine seit dem Abschuss des Fluges MH170 von Malaysian Airlines am 17. Juli 2014 meiden.

Nationale Fluggesellschaften Europas wie Lufthansa, Air France, KLM, British Airways, Finnair, SAS und Lot kündigten an, den belarussischen Luftraum bis auf weiteres meiden zu wollen. Lufthansa strich zudem den für diesen Mittwoch geplanten Flug aus Frankfurt nach Minsk und den dazugehörigen Rückflug am Donnerstag. Singapore Airlines weicht mit Flügen nach Europa ebenfalls auf Routen aus, die nicht mehr über Belarus führen, genau wie die Billig-Airlines Wizzair und Ryanair bei einigen Verbindungen.

Regime fehlen Einnahmen

Nach Angaben der Organisation zur Sicherung der Luftfahrt trol gab es seit Ende April im Schnitt täglich 339 Flüge von und nach Europa, die über Belarus führten. Pro Woche sind es fast 2000. Davon entfallen die meisten auf Verbindungen zwischen Deutschland und Russland, gefolgt von Verbindungen zwischen Deutschland und China. Die meisten der bisher über Belarus führenden Flüge würden nun auf Routen über den baltischen Staaten umgeleitet, erklärte die europäische Flugkontrollbehörde.

Die Umleitung europäischer Flüge könnte die ehemalige Sowjetrepublik um bis zur Hälfte der aus Überflugrechten jährlich generierten Einnahmen von rund 60 bis 70 Mill. Dollar bringen, sagte Oleksandr Laneckij von dem Luftfahrtberatungsunternehmen Friendly Avia Support der Nachrichtenagentur Bloomberg. Laut trol berechnet Belarus für die Nutzung seines Luftraums Gebühren, die von 245 Euro für einen A320-Mittelstreckenjet bis zu 770 Euro für einen A380-Großraumjet reichen.

Die belarussische Fluggesellschaft Belavia wiederum gab bekannt, Flüge nach Paris und London bis Oktober aussetzen zu wollen. Sie hat bisher laut Eurocontrol pro Tag im Schnitt 46 Flüge von oder zu Flughäfen innerhalb Europas durchgeführt. Die Staats- und Regierungschefs der EU hatten zuvor beschlossen, dass belarussische Fluggesellschaften künftig nicht mehr den Luftraum der EU nutzen dürfen. Belarussische Airlines haben zudem nun Start- und Landeverbot an Flughäfen in der EU.

Bruch internationalen Rechts

Der Branchenverband IATA forderte eine Untersuchung der erzwungenen Landung des Ryanair-Fluges FR4978 in Minsk, bei der die belarussischen Behörden einen oppositionellen Blogger und Journalisten festgenommen haben. „Die IATA verurteilt nachdrücklich jeden Eingriff oder jede Vorschrift zur Landung, die unvereinbar mit den Regeln internationalen Rechts sind“, sagte IATA-Chef Willie Walsh. „Eine vollständige Untersuchung durch zuständige internationale Behörden ist nötig.“ Der Branchenverband vertritt rund 280 Airlines weltweit. Ryanair ist jedoch kein Mitglied.

Die in Montreal ansässige Internationale Zivilluftfahrtorganisation der Vereinten Nationen ICAO hat für Donnerstag ein Treffen des 36-köpfigen Rates einberufen, der berechtigt ist, Situationen zu untersuchen, die den internationalen Luftverkehr behindern können. Das belarussische Verkehrsministeriums erklärte nun, es habe Vertreter der ICAO und der IATA sowie Experten der EU und von US-Behörden zu einer weiteren Prüfung der Umstände der erzwungenen Landung eingeladen.