Konjunktur

Britische Wirtschaft wächst, statt zu schrumpfen

Die Rezession könnte ausbleiben. Großbritannien zeigt sich überraschend robust. Es bedürfte schon eines äußerst schwachen Dezembers, um die Wirtschaft im Schlussquartal schrumpfen zu lassen. Noch ist die Gefahr allerdings nicht gebannt.

Britische Wirtschaft wächst, statt zu schrumpfen

hip London

Die britische Wirtschaft hat sich im November unerwartet gut entwickelt. Dadurch sinkt das Risiko, dass das Land im Schlussquartal in die allseits erwartete Rezession eingetreten ist. Wie das Statistikamt ONS mitteilte, wuchs das Bruttoinlandsprodukt (BIP) um 0,1%. Volkswirte hatten dagegen im Schnitt mit einem Rückgang um 0,2% gerechnet. Im Oktober hatte es um 0,5% zugelegt. Die Erstschätzung wurde nicht revidiert. Solange es nicht doch noch zu nachträglichen Korrekturen kommt, wäre eine Schrumpfung von 0,6% im Dezember nötig, um das Quartal noch ins Minus zu drücken. Die Bank of England erwartete für den Dreimonatszeitraum zuletzt ein Minus von 0,1%.

Treiber der positiven Entwicklung im November war das in Großbritannien dominante Dienstleistungsgewerbe mit einem Plus von 0,2%. Verbrauchernahe Dienstleistungen verzeichneten gar einen Zuwachs von 0,4%, wozu die Fußball-WM in Katar beigetragen haben dürfte. Die Produktion verringerte sich dagegen um 0,2%. Den größten Anteil daran hatten die pharmazeutische und die chemische Industrie.

Dezemberwert entscheidet

Wie es im Dezember weiterging, ist schwer zu sagen. Der höhere Einzelhandelsumsatz im November lässt sich als Zeichen dafür werten, dass Verbraucher ihre Weihnachtseinkäufe vorgezogen haben. Man kann ihn aber auch als Indiz dafür werten, dass sie keine Abstriche an ihrem Lebensstandard machen wollen und dafür gegebenenfalls auch auf die während der Pandemie aufgelaufenen Ersparnisse zurückgreifen. „Bislang bauen die britischen Verbraucher weiter Sparguthaben auf“, schrieb James Richard Sproule, der für Großbritannien zuständige Volkswirt der Handelsbanken. Sie seien mehrheitlich nicht bereit, ihre Sparkonten zur Deckung ihrer Lebenshaltungskosten zu nutzen.

Die Einkaufsmanagerindizes deuteten zuletzt auf eine schwache Entwicklung hin. Zudem sorgten zahllose Streiks insbesondere im Bahnverkehr dafür, dass viele Menschen von zu Hause arbeiteten und Weihnachtsfeiern abgesagt wurden. Der Beginn einer technischen Rezession erscheint vor diesem Hintergrund immer noch plausibel. „Andererseits ist er angesichts des positiven Wachstums im Oktober und November nicht garantiert“, schrieb die HSBC-Volkswirtin Elizabeth Martins. „Die Fußball-WM könnte für weiteres Wachstum bei den verbrauchernahen Dienstleistungen gesorgt haben. Und die Ergebnisse einiger Einzelhändler deuten derzeit auf ein unerwartet gutes Weihnachtsgeschäft hin.“ Zuletzt hatten der Kaufhausbetreiber Marks & Spencer und die Supermarktkette Tesco mit ihren Zahlen die Markterwartungen übertroffen.

Das Handelsbilanzdefizit schrumpf­­te in den drei Monaten per Ende November. Die milde Witterung sorgte sowohl für niedrigere Preise eingeführter Energierohstoffe als auch für eine geringere Nachfrage. Der Import von Brennstoffen aus Nicht-EU-Ländern sank den dritten Monat in Folge. Niedrigere Gaslieferungen aus Katar und Norwegen waren der Treiber. Die Prognose der Bank of England für den November hatte auf einem Gaspreis von 356 Pence je Therm (rund 29 kWh) beruht. Derzeit werden am Terminmarkt für 2023 nur noch 179 Pence pro Therm angesetzt. Das könnte dafür sorgen, dass der Energiepreisdeckel die Regierung deutlich weniger kostet als erwartet.