Studie

Der Fachkräfte­mangel kennt keine einfache Lösung

Um den Fachkräftemangel in Deutschland zu lindern, reicht es nicht, die Löhne zu erhöhen, schreiben IW-Forscher. Es fehlt schlicht an qualifiziertem Personal. Immerhin werden erste kleine Fortschritte vermeldet.

Der Fachkräfte­mangel kennt keine einfache Lösung

ast Frankfurt

Höhere Löhne werden den Fachkräftemangel in Deutschland nicht beheben. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW). Dem Arbeitsmarkt fehlten 630000 qualifizierte Menschen, Tendenz steigend, rechnen die Forscher vor und kritisieren die öffentliche Debatte: „Verkürzt heißt es dort, einen Fachkräftemangel gebe es nicht, Arbeitgeber müssten bei Löhnen und Gehältern nur tiefer in die Tasche greifen, um diese Stellen zu besetzen.“ Eine so einfache Lösung allerdings gebe es nicht, schreibt Studienautor Alexander Burstedde. Stattdessen müsse an vielen Stellschrauben gedreht werden – und das schnell.

Die Fachkräftedatenbank des Instituts meldet auf Basis der offiziellen Statistik der Bundesagentur für Arbeit (BA) 1,339 Millionen offene Stellen für qualifizierte Fachkräfte, aber nur 968000 qualifizierte Arbeitskräfte. Damit fehlen rechnerisch 371000 Fachkräfte. Noch größer wird die Lücke den IW-Experten zufolge, wenn die einzelnen Qualifikationen berücksichtigt werden –etwa, dass ein Softwareentwickler nicht als Bauingenieur arbeiten kann. Dann fehlen die besagten 630000 Arbeitskräfte. „An dieser Lücke werden höhere Löhne allein nichts ändern“, heißt es in der Studie. „Sie können weder kurzfristig dafür sorgen, dass benötigte Qualifikationen entstehen, noch mittelfristig Arbeitsbedingungen und Rahmenbedingungen so verändern, dass ausreichend Mobilität entsteht.“ Auch regional stimmen Angebot und Nachfrage häufig nicht überein.

„Grundsätzlich gilt, dass Mangelberufe attraktiver werden müssen“, sagt Burstedde. Dazu gehörten flexible Arbeitszeiten und die Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Und: „Wir müssen qualifizierte Einwanderung fördern und in Zukunft mehr, nicht weniger arbeiten.“

Erst Mitte des Monats hatte Clemens Fuest, Präsident des Ifo-Instituts, höhere Löhne zumindest als Teil der Lösung bezeichnet. „Aus ökonomischer Sicht gibt es auf Knappheit eine einfache Antwort: die Preiserhöhung“, schrieb er in einem Beitrag. Mehr Wettbewerb um Arbeitskräfte führe zum Rückzug nicht wettbewerbsfähiger Unternehmen aus dem Arbeitsmarkt. „Manche unliebsame Tätigkeit würde wegfallen oder automatisiert“, Beschäftigte würden in Jobs mit höheren Löhnen und höherer Produktivität wechseln.

Die Ampel-Koalition hatte sich am Donnerstag auf einen Vorschlag zur Fachkräfte-Einwanderung geeinigt. Mit ihm sollen mehr Arbeitskräfte aus dem Ausland gewonnen werden – unter anderem mit leichteren Anerkennungen und einer neuen Chancenkarte. Der Entwurf von Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) und Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) war am Donnerstag zur Abstimmung an die anderen Ressorts der Bundesregierung verschickt worden. Es gilt als wahrscheinlich, dass darüber kommende Woche im Kabinett beraten wird.