Europäische Union

Ein Ölembargo gegen Russland rückt näher

Die EU-Kommission könnte noch in dieser Woche ein sechstes Sanktionspaket gegen Russland vorlegen, das auch ein Ölembargo enthält. Auch die Bundesregierung hält einen solchen Schritt mittlerweile für verkraftbar.

Ein Ölembargo gegen Russland rückt näher

ahe/sp Brüssel/Berlin

Die EU-Kommission wird voraussichtlich Mitte der Woche ein neues Sanktionspaket gegen Russland auf den Tisch legen, das dann auch ein Ölembargo enthält. Wie zu Wochenbeginn in Brüssel verlautete, wird allerdings noch über eine Übergangsfrist sowie mögliche Ausnahmen diskutiert – vor allem, um Länder wie Ungarn noch mit ins Boot zu holen. EU-Beamte verwiesen im Vorfeld einer Sondertagung der Energieminister in Brüssel darauf, dass es auch möglich sei, einzelne Länder aus dem Embargo auszunehmen. Auch eine langfristige Übergangszeit wäre demnach möglich.

Während in der Vergangenheit skeptische Länder wie Österreich und vor allem Deutschland ein Öl­embargo mittlerweile mittragen würden, bleibt das stark von russischen Energielieferungen abhängige Ungarn ablehnend und erneuerte seine Veto-Drohung am Wochenende noch einmal. Kanzleramtsminister Gergely Gulyás sagte am Sonntagabend im regierungsnahen Fernsehsender Hir TV: „Um es klar und deutlich zu sagen: Wir werden Sanktionen (in Hinblick auf Öl- und Gaslieferungen) niemals unterstützen.“ Seit Beginn des Krieges hatte Ungarn zwar alle fünf EU-Sanktionspakete gegen Russland mitgetragen, lehnt aber etwa eigene Waffenlieferungen an die Ukraine strikt ab.

Die EU bezieht durchschnittlich noch rund ein Viertel ihres Öls aus Russland (siehe Grafik). Seit dem Einmarsch in die Ukraine am 24. Februar hat die EU rund 20 Mrd. Euro für Ölimporte bezahlt. Etwa die Hälfte der russischen Ausfuhren geht in die EU.

Sanktionsmaßnahmen müssen innerhalb der EU in der Regel einstimmig beschlossen werden. Bundeswirtschaftsminister­ Robert Habeck (Grüne) räumte am Montag am Rande eines Treffens der EU-Energieminister ein, Deutschland könne ein Ölembargo zwar tragen. Andere Länder seien aber noch nicht so weit. Ein Embargo werde hohe Preissprünge nach sich ziehen, in eine neue „Ölkrise“ werde Deutschland aber nicht mehr rutschen, stellte Habeck klar.

Schnelle Fortschritte

Bereits am Sonntag hatte das Bundeswirtschaftsministerium­ über schnelle Fortschritte auf dem Weg zu geringerer Abhängigkeit von russischen Ölimporten berichtet. Der Anteil an der Versorgung in Deutschland sei auf 12% gesunken, heißt es im zweiten „Fortschrittsbericht Energiesicherheit“. Im vergangenen Jahr lag der Anteil bei 35%. Im Ende März veröffentlichten ersten Bericht hatte das Wirtschaftsministerium den Anteil russischer Ölimporte noch auf 25% veranschlagt. Wirtschaftsminister Habeck hatte erst vor wenigen Tagen in Polen Gespräche geführt, wie auch die weiterhin von russischem Öl abhängigen ostdeutschen Raffinerien aus anderen Quellen beliefert werden können.

Die Reduktion von Gasimporten aus Russland kommt langsamer voran. In der Vergangenheit lag der Anteil der russischen Gaslieferungen an der Versorgung im Mittel bei 55%. Ende März waren es noch 40% und zuletzt immer noch 35%. „Dafür wurden der Erdgasbezug aus Norwegen und den Niederlanden erhöht sowie die LNG-Importe signifikant gesteigert“, erklärt das Ministerium im zweiten Fortschrittsbericht. Für die Beschaffung von vier schwimmenden Flüssiggas-Terminals hat die Bundesregierung knapp 3 Mrd. Euro im Haushalt eingestellt.

Die EU-Energieminister sparten die Frage eines Ölembargos am Montag weitgehend aus und befassten sich stattdessen im Wesentlichen mit den Folgen des Gas-Lieferstopps, den Russland gegen Polen und Bulgarien verhängt hat. EU-Energiekommissarin Kadri Simson sagte nach dem Treffen, gegenwärtig gebe es „kein unmittelbares Risiko für die Versorgungssicherheit“ in Europa. Die EU-Kommission werde im Rahmen ihres „Repower EU“-Programms aber noch in diesem Monat konkrete Vorschläge vorlegen, wie die Abhängigkeit von Russland noch weiter reduziert werden könne. Es müsse in Vorbereitung auf den nächsten Winter jetzt schon um das Auffüllen der Gasspeicher und um eine Diversifizierung der Lieferungen gehen, so Simson.

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