Europäischer Rat

Energie bleibt auf dem EU-Gipfel ein Streitthema

Trotz der weiterhin hohen Energiepreise bleibt die EU in Energiefragen gespalten. Einig sind sich die Mitgliedstaaten hingegen, dass Europa Russland und Belarus klare Botschaften senden muss.

Energie bleibt auf dem EU-Gipfel ein Streitthema

ahe Brüssel

Olaf Scholz (SPD) wird bei seiner ersten Teilnahme an einem EU-Gipfel als Bundeskanzler am Donnerstag bei der bisherigen deutschen Haltung bleiben und Eingriffe in die europäischen Strom- und Gasmärkte ablehnen. Wie aus Berlin verlautete, beruft sich die neue Bundesregierung dabei auf die jüngsten Analysen der europäischen Marktaufsichtsbehörde ESMA sowie der europäischen Agentur für die Zusammenarbeit der Energieregulierungsbehörden (ACER). Diese hätten keine Hinweise auf Marktmanipulationen gegeben. Dies gelte auch für die russischen Gaslieferungen, die vertragsgemäß erfolgt seien, hieß es.

Die Bundesregierung ist damit weiterhin der Ansicht, dass die in den letzten Monaten kräftig gestiegenen Energiepreise das normale Spiel von Angebot und Nachfrage widerspiegeln. „Markteingriffe sind derzeit nicht erforderlich“, sagten deutsche Regierungsvertreter am Dienstag. Dies gelte insbesondere für das europäische Emissionshandelssystem, das eher Teil der Lösung sei und nicht das Problem.

Der Europäische Rat will sich am Donnerstag in Brüssel wie auch schon beim letzten Treffen im Oktober erneut mit einer Reaktion auf die hohen Energiepreise befassen. EU-Ratspräsident Charles Michel sprach in seinem Einladungsbrief an die Staats- und Regierungschefs von einem wichtigen Thema, bei dem eine wirksame Weiterverfolgung von entscheidender Bedeutung sei. Auf die inhaltlichen Differenzen zwischen den Staaten ging er allerdings nicht weiter ein.

Deutschland wird in seiner Haltung unter anderem von Österreich, den Niederlanden, Luxemburg, Dänemark, Finnland, Irland, Estland und Lettland unterstützt. Markteingriffe fordern hingegen insbesondere Frankreich und das von den Preissteigerungen besonders getroffene Spanien. Frankreich will unter anderem über Änderungen im Marktdesign eine Entkoppelung der Strom- und Gaspreise erreichen.

Gipfelfokus auf Russland

Eine Verständigung auf dem Brüsseler Gipfel ist damit so gut wie ausgeschlossen. Allerdings wird die EU-Kommission eine weitere Diskussionsvorlage mit einem neuen Gesetzespaket zu den Gasmärkten bieten, das am Mittwoch, also einen Tag vor dem Treffen, vorgestellt wird. Wie die Behörde bereits angekündigt hat, soll es hier unter anderem auch um die Themen Gasspeicherung und einen gemeinsamen Gaseinkauf in der EU gehen.

Inwieweit das Thema Taxonomie und damit die mögliche Einstufung der Atomkraft und von Gas als „nachhaltig“ in diesem Zusammenhang auf dem Gipfel eine Rolle spielt, ist noch unklar. Die Bundesregierung führt hierzu „ganz intensive Verhandlungen“ an verschiedenen Stellen in Europa, unter anderem auch mit der EU-Kommission, wie es am Dienstag in Berlin hieß. Eine Einigung gebe es hierzu noch nicht.

Scholz’ erster EU-Gipfel dürfte allerdings ohnehin die heikle Lage an der russisch-ukrainischen Grenze dominieren. Ratspräsident Michel schrieb in seinem Einladungsbrief: „Jede weitere militärische Aggression gegen die Ukraine wird massive Konsequenzen und hohe Kosten haben.“

Diese Ansicht wird auch von der Bundesregierung geteilt. Die Situation sei „besorgniserregend“, so ein Regierungsvertreter in Berlin. Der Gipfel werde „ein klares Signal an Moskau“ schicken und die russische Führung auffordern, die Lage zu deeskalieren. Der Europäische Rat will sich in diesem Zusammenhang auch noch einmal demonstrativ solidarisch mit der Ukraine zeigen.

Bereits am Mittwoch wird der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj nach Brüssel reisen zu einem EU-Gipfel mit den Ländern der östlichen Partnerschaft, zu denen neben der Ukraine auch Georgien, Armenien, Aserbaidschan und Moldau gehören. Geplant ist dabei zunächst ein Dreiertreffen mit Scholz und dem französischen Präsident Emmanuel Macron.

Auch Belarus – das bis 2020 ebenfalls Teil der östlichen Partnerschaft der EU war – wird am Donnerstag noch einmal zum Gipfelthema. Ziel der Staats- und Regierungschefs ist es, den Druck auf das Regime in Minsk aufrechtzuerhalten.