Nachlassender Preisdruck

Erzeugerpreise verbreiten Hoffnung

Die Erzeugerpreise in Deutschland sinken im Rekordtempo und deuten auf einen deutlich nachlassenden Preisdruck hin. Die Lage im Nahen Osten könnte diese Entwicklung jedoch aufhalten.

Erzeugerpreise verbreiten Hoffnung

Erzeugerpreise verbreiten Hoffnung

Ökonom Dullien: „Klare Fortschritte in der Inflationsbekämpfung“ – Risiko neuer Ölpreisschock

mpi Frankfurt

Der Trend des nachlassenden Preisdrucks in Deutschland setzt sich fort. Die Erzeugerpreise sind im September im Rekordtempo gefallen. Sie lagen um 14,7% niedriger als noch vor einem Jahr. Größer war der Rückgang noch nie seit Erfassung der Daten im Jahr 1949. Dies teilte das Statistische Bundesamt am Freitag mit.

„Deutschland macht damit klare Fortschritte in der Inflationsbekämpfung“, kommentierte der wissenschaftliche Direktor des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK), Sebastian Dullien, die Zahlen. Die Erzeugerpreise sind ein Indikator für die Entwicklung der Verbraucherpreise, da Unternehmen Preisänderungen in der Regel mindestens teilweise an ihre Kunden weitergeben.

Risiko neuer Ölpreisschock

„Durch den Sinkflug der Erzeugerpreise wird sich die Gesamtinflation weiter abschwächen, die Entschärfung des Inflationsthemas dürfte sich fortsetzen“, urteilt Alexander Krüger, Chefvolkswirt der Privatbank Hauck Aufhäuser Lampe. Seit ihrem Höhepunkt im Oktober 2022 ist die Inflation in Deutschland deutlich zurückgegangen. Lag sie vor einem Jahr nach harmonisierter europäischer Berechnungsmethode HVPI bei rekordhohen 11,6%, betrug die Teuerung im September nur noch 4,3%.

Das ist jedoch weiter deutlich entfernt vom 2-Prozent-Inflationsziel der Europäischen Zentralbank (EZB) für die gesamte Eurozone. Bis zum Jahresende könnte die Teuerung in Deutschland nach Einschätzungen von Ökonomen auf rund 3% abnehmen. Allerdings machen sich Volkswirte – und auch die EZB – verstärkt Gedanken darüber, welche Auswirkungen der Nahost-Konflikt auf die Inflation hat.

Zinserhöhung nächste Woche unwahrscheinlich

„Sollten die ölproduzierenden Staaten der Region mit in den Konflikt verwickelt werden, könnte es zu einem neuen Ölpreisschock kommen, der dann auch die Preise wieder in die Höhe treiben würde“, sagte Dullien. Ein möglicher Flächenbrand bedrohe nicht nur Wachstum und Inflation, er bedeute auch Gefahren für die Finanzmarktstabilität, urteilte Krüger am Freitag. Bereits in den Tagen zuvor hatten sich mehrere EZB-Granden besorgt darüber geäußert, dass die Lage im Nahen Osten die Inflation in der Eurozone wieder verstärken könnte.

EZB-Chefökonom Philip Lane sprach sich deshalb dafür aus, dass die EZB bereit sein müsse, zusätzliche Maßnahmen zu ergreifen, wenn es zu weiteren Schocks bei den Verbraucherpreisen komme. Beim nächsten Zinsentscheid kommenden Donnerstag dürfte es aller Voraussicht nach aber zu keiner weiteren Zinserhöhung kommen. Dies könnte aber im Dezember erfolgen. Je nachdem, wie sich die Konjunktur- und Preisdaten entwickeln und wie die Prognosen der EZB-Volkswirte ausfallen.

Ökonomen halten Zinsgipfel für erreicht

Von der Nachrichtenagentur Reuters befragte Ökonomen erwarten jedoch, dass der Zinsgipfel bereits erreicht ist. Von 83 Volkswirten rechnet keiner mit einer Zinserhöhung auf der September- oder der Dezember-Sitzung. Insgesamt geht die Mehrheit davon aus, dass der Einlagensatz nun für längere Zeit bei 4,0% verharren wird.

58% erwarten, dass die erste Zinssenkung der EZB nicht vor Juli kommt. Eine Einschätzung, die den Ergebnissen einer Bloomberg-Umfrage unter Ökonomen vom Anfang der Woche ähnelt. Die anderen 42% gehen von einer Zinssenkung im ersten Halbjahr 2024 aus. 25 der 83 Ökonomen können sich gut vorstellen, dass die erste Zinssenkung jedoch später erfolgen wird, als sie derzeit prognostizieren.

Preistreiber Nahrungsmittel

Eine Ursache hierfür ist die Unsicherheit über den Ölpreis. Die Entwicklung im Nahen Osten dürfte sowohl die kommenden Konjunktur- und Preisdaten als auch die EZB-Prognosen Ende des Jahres beeinflussen. Die Erzeugerpreise sind im September vor allem deswegen im Rekordtempo gesunken, weil die Energiepreise im Jahresvergleich um 35,3% niedriger waren. Aufhalten könnte den Trend allerdings die Krise im Nahen Osten.

Ohne Berücksichtigung der Energieträger sieht die Entwicklung der Erzeugerpreise in Deutschland schon ganz anders aus. Dann sind sie im September im Jahresvergleich um 0,8% gestiegen. Wie auch bei der Inflationsrate sind vor allem die Nahrungsmittel weiterhin Preistreiber. Besonders stark fällt der Anstieg bei Zucker aus, der für viele Lebensmittel weiterverarbeitet wird. Hier verzeichneten die Statistiker ein Plus von 84,7%.

Die Erzeugerpreise in Deutschland sinken im Rekordtempo und deuten auf einen deutlich nachlassenden Preisdruck hin. Die Lage im Nahen Osten könnte diese Entwicklung jedoch aufhalten. Ökonomen gehen in einer Umfrage trotzdem davon aus, dass der Zinsgipfel im Euroraum bereits erreicht ist.

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