Sondergipfel

EU-Staaten vereinbaren Kom­pro­miss zu Beihilfe­­regeln

Flexiblerer Zugriff auf Geldtöpfe im Gegenzug für vereinfachte Staatshilfen: Mit diesem Deal spielt der EU-Gipfel den Ball zurück zur EU-Kommission. Von der will die Industrie mehr Tempo sehen.

EU-Staaten vereinbaren Kom­pro­miss zu Beihilfe­­regeln

Die Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union haben sich dafür ausgesprochen, die Beihilferegeln in der EU vorübergehend weiter zu lockern. Darauf dringen vor allem Deutschland und Frankreich. Im gleichen Zuge verlangen die EU-Staaten von der EU-Kommission, nicht ausgeschöpfte Fördertöpfe zu flexibilisieren. Damit gehen sie auf Bedenken einer Vielzahl kleinerer Länder ein, die über geringere fiskalische Schlagkraft verfügen.

Flexiblerer Zugriff auf Geldtöpfe im Gegenzug für eine Lockerung der Beihilferegeln: Mit dieser Kompromissformel reagieren die EU-Staaten unter Führung von Ratspräsident Charles Michel auf den Entwurf der EU-Kommission für einen Industrieplan. Ihre Positionierung beim EU-Sondergipfel­, der tagsüber im Zeichen des Besuchs von Ukraine-Präsident Wolodymyr Selenskyj stand, ist nur ein erster Schritt. Konkrete Beschlüsse sollen beim regulären Gipfel Ende März folgen.

Während Bundeskanzler Olaf Scholz im Anschluss an den Gipfel einmal mehr vor einem Subventionswettlauf mit den Vereinigten Staaten warnte, geht es der deutschen Wirtschaft nicht schnell genug. Tanja Gönner, Hauptgeschäftsführerin des Industrieverbands BDI, nennt die Ergebnisse des Gipfels „mager“. Sie drängt zur Eile, um eine Antwort auf das Subventionsprogramm der USA zu geben. Der EU-Kommission erteilt Gönner „den Auftrag, Tempo aufzunehmen, um die EU im weltweiten Wettbewerb attraktiver zu machen“. Der mehrere hundert Milliarden Dollar schwere Inflation Reduction Act (IRA) hat in der europäischen Wirtschaft Sorgen um die Wettbewerbsfähigkeit ausgelöst.

Die Lockerung der Beihilferegeln ist eine Antwort darauf, aber nicht die einzige. Im Gespräch ist ein ganzes Paket zugunsten der europäischen Industrie, ohne Unternehmen aus anderen Weltregionen per se auszuschließen – so wie es die USA mit dem IRA in manchen Bereichen tun. So unterstützen die EU-Staaten auch das Vorhaben der EU-Kommission, Verwaltungs- und Genehmigungsverfahren zu vereinfachen und zu beschleunigen. Das ist eine zentrale Forderung der Wirtschaft.

Ausgesprochen vage fällt die Stellungnahme der EU-Staaten zum ominösen Souveränitätsfonds aus. Für diesen neuen Fördertopf macht sich die EU-Kommission stark. In Berlin und vielen weiteren Hauptstädten stößt die Idee auf Widerstand. Von diesen Plänen habe man „Kenntnis genommen“, heißt es wachsweich in den Schlussfolgerungen des Gipfels. Details zum Souveränitätsfonds will die EU-Kommission bis zum Sommer ausarbeiten. Einstweilen setzt sie auf eine Brückenlösung, in deren Zentrum ein bestehendes Förderinstrument namens Repower EU mit mehr als 250 Mrd. Euro steht.

EU-Staaten können Unternehmen künftig leichter fördern, um die Energiewende voranzutreiben. Die Beihilfeverfahren müssten „einfacher, schneller und berechenbarer werden“, lautet die Einigung der EU-Staaten­. Das solle „rasch gezielte, vorübergehende und verhältnismäßige Unterstützung, einschließlich über Steuergutschriften“, ermöglichen. Zugleich soll der Zugang zu vorhandenen Finanzmitteln „erleichtert werden“.

In der Industrie finden leichtere Beihilfen ebenso Anklang wie bei den Grünen im EU-Parlament. Dessen Sprecher Rasmus Andresen fürchtet eine Lagerbildung: hier Deutschland und Frankreich, dort Länder wie Italien mit geringerem Spielraum für Subventionen. Für Andresen ist deshalb eine Paketlösung nötig, „zu der eine Reform des Stabilitäts- und Wachstumspakts und ein Investitionsfonds für gezielte strategische europäische Investitionen gehören“.

Schlecht angekommen ist in Rom auch die US-Reise der Wirtschaftsminister Deutschlands und Frankreichs, Robert Habeck und Bruno Le Maire, vor dem EU-Gipfel. SPD-Handelsexperte Bernd Lange sieht darin ohnehin vergebliche Liebesmüh: US-Präsident Joe Biden habe dieser Tage vielmehr klargemacht, seinen kritisierten „Buy American“-Ansatz noch verschärfen zu wollen.

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