Industrieproduktion

Euro-Industrie legt einen Zahn zu

Die Euro-Industrie hat im April trotz anhaltender Materialknappheiten die Produktion fast doppelt so stark ausgeweitet wie erwartet. Damit bekommt auch die Kontroverse über das EZB-Corona-Notfallanleihekaufprogramm PEPP neues Futter.

Euro-Industrie legt einen Zahn zu

ba/ms Frankfurt

Die Industrie in der Eurozone hat im April erneut ihre Stärke bewiesen: So wurde die Produktion sowohl im Monats- als auch im Jahresvergleich unerwartet deutlich ausgeweitet. Zudem hat die Industrie im gemeinsamen Währungsgebiet die Fertigung im März kräftiger erhöht als zunächst gemeldet. Und dies, obwohl derzeit Materialknappheiten und Lieferengpässe die Produktion – insbesondere im für Deutschland so wichtigen Automobilsektor – erheblich bremsen. Daher klafft auch immer noch eine große Lücke zwischen den Auftragseingängen und der Fertigung.

Laut dem Statistikamt Eurostat hat die Industrie im Euroraum im April 0,8% mehr produziert als im Vormonat. Ökonomen hatten mit einem Plus von 0,4% gerechnet. Außerdem erklärten die Luxemburger Statistiker, dass das Wachstum im März bei 0,4% statt wie zunächst berichtet bei 0,1% lag. Im Jahresvergleich hat die Fertigung 39,3% zugelegt. Damit wurde die Erwartung von 37,4% ebenfalls übertroffen.

Der erhebliche Sprung zum April 2020 erklärt sich vor allem mit der extrem starken Belastung der Produktion im Rahmen des ersten Lockdowns im Frühjahr des vergangenen Jahres. Und auch für März wurde der Vergleich zum Vorjahr aufwärtsrevidiert: Eurostat vermeldet nun einen Anstieg um 11,5% nach zunächst 10,9%.

Unter den Ländern gab es große Unterschiede: Die höchsten Anstiege in der Industrieproduktion zum Vormonat vermeldet Eurostat für Belgien (+7,4%), Malta (+5,6%) und Estland (+4,4%). Die stärksten Rückgänge wurden dagegen in Litauen (–2,4%), der Slowakei (–1,0%) sowie in Deutschland und den Niederlanden (je –0,3%) beobachtet. Unter den großen Euro-Ländern sticht Spanien mit einem Plus von 1,1% hervor. Dort läuft die Wirtschaft angesichts von Impffortschritten runder, so dass die Notenbank – ebenso wie die Frankreichs – die Wachstumsprognosen erhöht hat: Der Banco de España erwartet für Spanien für 2021 ein Wirtschaftswachstum von 6,2%. Im März waren es noch 6,0%. Die Banque de France schraubte die Prognose für Frankreich von 5,4% auf 5,8% nach oben.

Die positiven Daten dürften auch die Europäische Zentralbank (EZB) in ihrem Konjunkturoptimismus bestärken. Die EZB-Volkswirte hatten am Donnerstag ihre Wachstumsprognosen für 2021 und 2022 gegenüber März deutlich heraufgeschraubt – um je 0,6 Punkte auf 4,6% und 4,7%. Trotz der größeren Zuversicht und der zugleich anziehenden Inflation hatte der EZB-Rat beschlossen, das erhöhte Kauftempo beim Corona-Notfallanleihekaufprogramm PEPP im dritten Quartal beizubehalten. EZB-Präsidentin Christine Lagarde hatte die weiter große Unsicherheit wegen der Pandemie betont. Lagarde untermauerte am Montag in einem Interview mit „Politico“, dass die Wirtschaftserholung „fest, solide und nachhaltig“ sein müsse und dass es deswegen „viel zu früh“ sei, über ein Ende der Krisenhilfen wie PEPP zu diskutieren.

Die Mehrheit der Eu­ro-Hüter scheint aktuell lieber länger als kürzer abwarten zu wollen, wie sich die Pandemie entwickelt und die Wirtschaft reagiert. Allerdings hatten ei­ni­ge EZB-Ratsmitglieder bereits am Donnerstag für ein geringeres Kauftempo plädiert. Die Kontroversen könnten in den nächsten Monaten noch zunehmen. Österreichs Notenbankchef Robert Holzmann betonte am Montag, dass PEPP als temporäres Instrument konzipiert sei. PEPP solle im März 2022 auslaufen, solange es keine neue Infektionswelle gebe, sagte Holzmann zu Bloomberg.