Geldpolitik

EZB spielt steigende Inflations­erwartungen herunter

Die marktbasierten Inflationserwartungen im Euroraum haben mit der rasant anziehenden Inflation deutlich zugelegt. Das hat Sorgen vor einer Lohn-Preis-Spirale geschürt. Die EZB versucht nun, den Anstieg zu relativieren.

EZB spielt steigende Inflations­erwartungen herunter

ms Frankfurt

Die Europäische Zentralbank (EZB) relativiert den jüngsten Anstieg der marktbasierten Inflationserwartungen und versucht da­mit Diskussionen im Keim zu ersticken, dass eine sogenannte Entankerung der Erwartungen droht – was den Druck auf die EZB erhöhen würde, schneller aus der ultraexpansiven Geldpolitik auszusteigen. Trotz der rekordhohen Inflation im Euroraum von zuletzt 5% macht die EZB bislang allenfalls zaghafte Schritte Richtung Ausstieg, weil sie den Inflationsanstieg primär als temporär ansieht. Andere Zentralbanken wie die US-Notenbank Fed gehen da entschlossener vor (siehe Text unten).

Die marktbasierten Inflationserwartungen im Euroraum haben seit Mitte 2020 deutlich angezogen, wobei sich der Anstieg in den vergangenen Monaten noch einmal be­schleunigt hatte. Das Barometer für die langfristigen Inflationserwartungen in der Währungsunion, der sogenannte Five-Year Five-Year Forward, war Ende 2021 zeitweise bis auf 2,1% geklettert – und damit sogar über das 2-Prozent-Ziel der EZB. Zu Beginn der Corona-Pandemie in Europa im Frühjahr 2020 hatte er zeitweise unter 1% gelegen. Der rasche Anstieg hatte Sorgen ge­schürt, dass sich dieser Trend ungebremst fortsetzen könnte. Vor allem in den USA haben die Erwartungen noch stärker angezogen. Die Inflationserwartungen sind über Preise und Löhne ein wesentlicher Einflussfaktor für die tatsächliche Inflation.

In einer Analyse in dem am Donnerstag veröffentlichten neuen Wirtschaftsbericht argumentiert die EZB nun, dass der Anstieg der Inflationserwartungen vor allem darauf beruhe, dass die Finanzakteure ei­ne hö­here Inflationsrisikoprämie verlangten, und nicht darauf, dass sie tatsächlich eine höhere Inflation er­warteten. Inflationsindexierte Swapsätze und andere marktbasierte Messgrößen des Inflationsausgleichs spiegeln nicht nur die tatsächlichen Inflationserwartungen der Finanzmarktteilnehmer, sondern auch die Inflationsrisikoprämien wider. Diese Prämien werden erhoben, weil die Akteure das Risiko scheuen und mit Unsicherheit konfrontiert sind.

„In jüngerer Zeit haben sich die geschätzten Inflationsrisikoprämien mit dem allmählichen Nachlassen der Effekte der Corona-Pandemie (Covid-19) deutlich erhöht“, heißt es nun in der Analyse, für die die EZB anhand zweier Modelle versucht hat, die Swapsätze in Erwartungen und Prämien zu zerlegen.

Nichtsdestotrotz blicken viele Euro-Hüter sehr wachsam auf die Erwartungen – auch aus Sorge, dass doch noch eine Lohn-Preis-Spirale in Gang kommen könnte. Erst vor wenigen Tagen hatte EZB-Ratsmitglied Martins Kazaks ein konsequentes Handeln im Fall steigender Inflationserwartungen angekündigt. Man sollte nicht denken, dass die EZB die Zinsen – falls nötig – nicht anheben werde. Zuletzt ist der Five-Year Five-Year Forward aber wieder gesunken, sogar auf Werte unterhalb von 1,9%.