Wirtschaftsstandort

Fachkräftemangel bedroht deutsche Wettbewerbsfähigkeit

Unternehmen tun sich immer schwerer, geeignetes Personal zu finden. Das ist auch für gesellschaftliche Ziele wie die Transformation hin zu einer klimaneutralen Wirtschaft ein Problem.

Fachkräftemangel bedroht deutsche Wettbewerbsfähigkeit

Fachkräftemangel wird zum Standortrisiko

Personalmangel steigert Arbeitskosten – Geschäftsrisiko für Betriebe nimmt zu

Unternehmen tun sich immer schwerer, geeignetes Personal zu finden. Das ist auch für gesellschaftliche Ziele wie die Transformation hin zu einer klimaneutralen Wirtschaft ein Problem. Mehr Zuwanderer würden zudem nur einen Teil des Problems lösen – zumal Deutschland international an Attraktivität eingebüßt hat.

ast Frankfurt

Unternehmen in Deutschland fällt es immer schwerer, geeignetes Personal für offene Stellen zu finden. Das ist nicht nur für die Betriebe selbst ein Problem: Der Wirtschaftsstandort Deutschland droht unattraktiver zu werden, die Transformation hin zu einer klimaneutralen Wirtschaft droht zu stocken, weil Experten fehlen.

Die Betriebe konkurrieren um geeignete Mitarbeiter, die Arbeitskosten steigen. “Der Fachkräftemangel ist nach Energie- und Rohstoffpreisen das größte Geschäftsrisiko deutscher Unternehmen”, erklärt Achim Dercks, stellvertretender Hauptgeschäftsführer der Deutschen Industrie- und Handelskammer (DIHK), auf Anfrage. Der aktuellsten DIHK-Konjunkturumfrage zufolge gilt das für 62% der Betriebe (siehe Grafik). An dritter Stelle stehen die Arbeitskosten mit 53%. Beide Umfragewerte befinden sich damit auf einem Allzeithoch. “Gerade Unternehmen, die im internationalen Wettbewerb stehen, tragen nicht nur die Bürde hoher Energiekosten, sondern zunehmend auch die hoher Arbeitskosten”, mahnt Dercks.

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“Obwohl die Beschäftigung in Personen auf Rekordniveau ist, hemmt der Fachkräftemangel die wirtschaftliche Entwicklung am Standort Deutschland”, erklärt Bernd Fitzenberger, Direktor des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB), der Börsen-Zeitung. Die Personalsuche dauere angesichts des derzeit sehr angespannten Arbeitsmarkts länger und Unternehmen müssten mehr Geld investieren, um Mitarbeiter zu finden. Gleichzeitig steige aber die Arbeitsproduktivität kaum an und die Arbeitszeit liege nach wie vor unterhalb des Niveaus vor der Corona-Pandemie. “Es ist allerdings so, dass die meisten Länder, mit denen Deutschland im Wettbewerb steht, ähnliche Probleme haben”, relativiert IAB-Direktor Fitzenberger.

Attraktivität sinkt

Der Personalmangel ist ein Problem für die tiefgreifenden Veränderungen, die angesichts der Digitalisierung und des Ziels einer klimaneutralen Wirtschaft auf Deutschland zukommen. “Für die ökologische Transformation brauchen wir Fachkräfte”, sagt IAB-Direktor Fitzenberger. Allein um die Ziele des Koalitionsvertrags in der Klima- und Baupolitik umzusetzen, bräuchte es nach IAB-Berechnungen zusätzliche 400.000 Personen. “Hunderttausende Beschäftigte werden in Bereichen wie Elektro-, Klima- und Heizungstechnik benötigt und schon jetzt fehlt zum Teil das Personal.”

Auch Dercks mahnt: “Die Fachkräfteengpässe sind nicht nur für die Betriebe selbst, sondern auch mit Blick auf gesellschaftliche Ziele wie die Klimaneutralität eine Herausforderung.” Gleichzeitig merkt Dercks an, dass auch andere – mit Deutschland im Wettbewerb stehende – Länder im selben Kontext vor ähnlichen Problemen stehen. “Die sehr ambitionierten Ziele der deutschen Klimapolitik erhöhen den Druck auf das schon recht hohe Lohnniveau klimaschutzrelevanter Berufe in Deutschland”, zeigt sich der DIHK-Experte besorgt. “Das kann die Wettbewerbsfähigkeit des Standorts in diesem Bereich künftig einschränken.” Der Fachkräftemangel hierzulande hat sich längst zu einem Arbeitskräftemangel ausgewachsen.

Die Bundesregierung versucht mit einer Reform des Einwanderungsgesetzes gegenzusteuern: Die Zuwanderung von Arbeitswilligen aus Drittstaaten, also Ländern außerhalb der Europäischen Union, wird vereinfacht, die Hürden für eine berufliche Qualifikation und den Spracherwerb werden deutlich heruntergeschraubt. Allerdings: Einer aktuellen Studie der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OSZE) zufolge ist Deutschland für ausländische Fachkräfte unattraktiver geworden. Zwar belegt das Land hinter den USA einen Spitzenplatz, wenn es um die Anziehungskraft auf ausländische Studierende geht. Doch bei hochqualifizierten Fachkräften landet Deutschland nur auf Platz 15.

Weiterbildung stärken

Mehr Zuwanderung allein wird das Problem nicht lösen. Vielmehr müsse die berufliche Bildung gestärkt werden, fordert Dercks. “Auch der Weiterbildung kommt große Bedeutung zu, gerade mit Blick auf Berufe und Tätigkeiten, bei denen sich infolge der Transformation die Nachfrage verschiebt.” Zudem müsse es mehr Angebote zur Kinderbetreuung geben, erklärt Fitzenberger. “Schließlich geht auch darum, die weiterhin hohe Zahl an Menschen, die bisher keine Beschäftigungschancen hatten, zu befähigen, die sich verbessernden Arbeitsmarktchancen zu nutzen.”

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