Exportschwäche

Frankreich verdoppelt Handelsbilanzdefizit

Frankreich hat bis auf ein paar Ausnahmen in den 90ern seit Ende des Zweiten Weltkrieges fast immer ein Handelsbilanzdefizit ausgewiesen. So hoch wie 2022 war es jedoch noch nie.

Frankreich verdoppelt Handelsbilanzdefizit

Sie ist traditionell eine der großen Schwachstellen der französischen Wirtschaft. Doch im letzten Jahr hat sich die Handelsbilanz der zweitgrößten Volkswirtschaft der Eurozone weit schlechter entwickelt als befürchtet. So hat sich das Handelsbilanzdefizit Frankreichs im Vergleich zum Vorjahr nahezu verdoppelt. Mit 163,6 Mrd. Euro ist es nach Angaben des französischen Zolls so hoch wie nie zuvor seit Ende des Zweiten Weltkrieges ausgefallen. Dabei hatte das französische Handelsbilanzdefizit bereits 2021 mit knapp 85 Mrd. Euro einen neuen Rekordwert erreicht. Die Regierung selbst war in ihrem Haushaltsentwurf 2023 davon ausgegangen, dass das Handelsbilanzdefizit 156 Mrd. Euro betragen werde.

Frankreich hat bis auf wenige Jahre in den 90ern seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs fast immer ein Handelsbilanzdefizit ausgewiesen. Schuld an dem starken Anstieg im letzten Jahr ist vor allem die Energiekrise. Exportiert Frankreich normalerweise seinen Atomstrom, so musste das Land 2022 Strom importieren, da zahlreiche der 56 französischen Atomreaktoren wegen Wartungsarbeiten, Kontrollen und Reparaturen aufgrund von Korrosionsproblemen stillstanden. Gleichzeitig haben die Verkäufe der Luft- und Raumfahrtindustrie, traditionell eines der stärksten Zugpferde der französischen Exporte, noch nicht wieder zu ihrem Vorkrisenniveau von 2019 zurückgefunden. Das gilt auch für die Automobilindustrie. All das konnte nicht durch einen Anstieg der Exporte der Pharma- und Kosmetikindus­trie sowie landwirtschaftlicher Produkte ausgeglichen werden.

Ökonomen sehen einen der Hauptgründe für das chronische Handelsbilanzdefizit Frankreichs seit 2002 in der Deindustrialisierung. So ist der Anteil der Industrie am Bruttoinlandsprodukt Frankreichs von 18% im Jahr 2000 auf zuletzt 9% gesunken. Parallel dazu ist der Anteil französischer Waren an Exporten in Europa zurückgegangen. Der durch die Deindustrialisierung und die Exportschwäche mittlerer Unternehmen verursachte strukturelle Anteil am französischen Handelsbilanzdefizit betrage noch immer rund 75 Mrd. Euro, meint Außenhandelsminister Olivier Becht.

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