Energiekrise

Groß­britannien drohen Strom­abschaltungen

Viele Briten müssen im Winter mit Blackouts rechnen, sollte nicht genug Gas zu beschaffen sein. Unterdessen wurde mit der Vergabe von bis zu 100 Lizenzen für die Nordseeöl- und Gasförderung begonnen.

Groß­britannien drohen Strom­abschaltungen

hip London

Der Betreiber des britischen Stromnetzes hat davor gewarnt, dass im Winter in bestimmten Regionen Stromabschaltungen drohen, sollte nicht ausreichend Gas zu beschaffen sein. Mit Hilfe der Unterstützung der Öffentlichkeit sollte sich das allerdings vermeiden lassen, heißt es in einem Bericht des Electricity Systems Operator (ESO) von National Grid. Dank sicherer Lieferungen aus der Nordsee, Einfuhren aus Norwegen und per Schiff sollte das Verhältnis zwischen Spitzenlast und Stromangebot dem vergangener Jahre ähneln. ESO forderte die Verbraucher auf, sich bei ihren Versorgern für deren Energiesparprogramme anzumelden. Wer Haushaltsgeräte wie Waschmaschinen in der Nacht laufen lässt statt am frühen Abend, soll dafür weniger bezahlen. In Medienberichten war bereits von rollierenden Blackouts die Rede.

Premierministerin Liz Truss weigerte sich bislang, die Bevölkerung zu Einsparungen aufzufordern. „Wir haben in Großbritannien eine gute Energieversorgung“, sagte sie zuletzt in Prag. „Wir sind in einer viel besseren Position als viele andere Länder.“ Ähnlich äußerte sich der Regulierer Ofgen. „Es obliegt allerdings einer verantwortlichen und vorsichtigen Energiebranche sicherzustellen, dass die richtigen Notfallmaßnahmen getroffen werden“, verlautbarte die Behörde. Man arbeite mit der Regierung, National Grid und anderen Partnern eng zusammen, um sicherzustellen, dass das Land „auf jegliche Herausforderung“ in diesem Winter vorbereitet sei.

Kleinerer CO2-Fußabdruck

Unterdessen begann eine neue Lizenzvergaberunde für Öl- und Gasprojekte in der Nordsee. Bis zu 100 Lizenzen werden vergeben. „Die Ausschöpfung des vollen Potenzials unserer Nordsee-Assets bedeutet, unsere Energieunabhängigkeit si­cherzustellen“, sagte Wirtschaftsminister Jacob Rees-Mogg. Man müsse anerkennen, dass die Gasförderung im Vereinigten Königreich einen kleineren CO2-Fußabdruck erzeuge als der Import aus dem Ausland. Wo bereits Infrastruktur vorhanden ist, will die dafür zuständige North Sea Transition Authority (NSTA) das Verfahren beschleunigen. Ihr zufolge vergehen im Schnitt annähernd fünf Jahre zwischen Entdeckung eines Vorhabens und der Aufnahme der Förderung.

Dem Branchenverband Offshore Energies UK zufolge könnten unter der Nordsee noch bis zu 15 Mrd. Barrel (159 Liter) Öl schlummern. Die Erschließung neuer Felder werde mit weniger Umweltverschmutzung verbunden sein als in der Vergangenheit.

Das erste Nordseeöl förderte BP 1975 in ihrem Ölfeld Forties. Mittlerweile ist vielerorts der Großteil der verfügbaren Reserven herausgeholt. Um die Lebensdauer der Felder zu verlängern und den kostspieligen Rückbau hinauszuzögern, ziehen die Betreiber oft Spezialisten wie En­quest hinzu. Die Internationale Energieagentur (IEA) hatte im vergangenen Jahr empfohlen, keine neuen Vorhaben mehr zu entwickeln. „Die Energiepolitik dieser Regierung nützt den Produzenten fossiler Brennstoffe und sonst niemandem“, sagte der Greenpeace-Aktivist Philip Evans. „Neue Öl- und Gaslizenzen werden weder die Energierechnungen finanziell schwacher Familien in diesem oder in einem kommenden Winter senken, noch werden sie mittelfristig Versorgungssicherheit herstellen.“

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