Konjunktur

Großbritannien entgeht „Double Dip“

Das Vereinigte Königreich hat im Schlussquartal eine „Double Dip“-Rezession vermieden. Die Wirtschaft des Landes schrumpfte im Pandemiejahr 2020 aber dennoch so stark wie in drei Jahrhunderten nicht.

Großbritannien entgeht „Double Dip“

hip London

Das Vereinigte Königreich hat im Schlussquartal eine „Double Dip“-Rezession vermieden. Die Wirtschaft des Landes schrumpfte im Pandemiejahr 2020 aber dennoch so stark wie in drei Jahrhunderten nicht. Wie das Statistikamt ONS mitteilte, wuchs das Bruttoinlandsprodukt im vierten Quartal überraschend um 1,0 %. Volkswirte hatten im Schnitt nur mit einem Zuwachs von 0,5 % gerechnet. Die Bank of England hatte 0,6 % auf der Rechnung. Im Gesamtjahr belief sich der wirtschaftliche Einbruch auf 9,9 % und war damit so tief wie seit dem Jahr 1709 nicht mehr. Großbritannien dürfte damit nach Schätzung des Nationalen Instituts für Wirtschafts- und Sozialforschung (NIESR) das Schlusslicht unter den G7-Ländern gewesen sein. Mit Blick darauf, dass noch bis zum Frühling verschärfte Ausgangsbeschränkungen gelten dürften, gehen die Volkswirte der renommierten Denkfabrik davon aus, dass es im laufenden Quartal zu einem „scharfen Rückgang“ der Wirtschaftsaktivität kommen wird. „Nichtsdestotrotz wird das Wachstum ab dem zweiten Quartal Fahrt aufnehmen, während die Restriktionen wegen des erfolgreichen Impfprogramms gelockert werden“, sagt der NIESR-Volkswirt Kemar Whyte.

„Wie eine Sprungfeder“

Der Chefvolkswirt der Bank of England, Andy Haldane, hatte sich schon vor Veröffentlichung der BIP-Daten in einem Gastbeitrag für die „Daily Mail“ optimistisch zu den wirtschaftlichen Aussichten geäußert. „Wie eine zusammengedrückte Sprungfeder warten enorme Mengen finanzieller Energie darauf, freigesetzt zu werden“, schrieb Haldane. Nachdem 13 Millionen Menschen bereits gegen Sars-CoV-2 geimpft wurden, habe sich das Risiko, daran zu sterben oder deswegen ins Krankenhaus eingeliefert zu werden, möglicherweise bereits halbiert. Ende März könnte es um drei Viertel niedriger liegen und Ende des zweiten Quartals noch niedriger sein. Dann werden die Menschen seiner Meinung nach wieder nach draußen gehen und Geld ausgeben. Anders als aus vorangegangenen Rezessionen gingen viele Haushalte finanziell gestärkt aus der Pandemie hervor. Bis Ende vergangenen Jahres hätten sie insgesamt rund 125 Mrd. Pfund zurückgelegt. Wenn sich die jüngsten Trends fortsetzten, könnten es bis Ende Juni 250 Mrd. Pfund sein. Die Notenbank hatte im vergangene Woche vorgelegten Inflationsbericht angenommen, dass die Briten 5 % davon ausgeben werden. „Aus meiner Sicht besteht das Potenzial, dass viel mehr davon, vielleicht sogar das meiste von diesem Pool von Ersparnissen in die Wirtschaft durchsickert und eine schnellere Erholung antreibt“, schrieb Haldane.

Allerdings nähert sich das Land einem kritischen Punkt: Mit dem Fiskaljahr 2020/21 laufen Ende März eine Reihe von staatlichen Hilfsmaßnahmen aus, darunter die Mehrwertsteuersenkung für das Gastgewerbe, die Aussetzung der Gewerbeimmobiliensteuer und der Corona-Zuschlag für Sozialhilfeempfänger. Das Coronavirus Job Retention Scheme, das derzeit noch mehr als 4 Millionen Arbeitsplätze erhält, endet nach derzeitiger Planung Ende April. Die Volkswirte der HSBC gehen davon aus, dass die Regierung „ungeachtet des Potenzials der ‚zusammengedrückten Sprungfeder‘ zu dem Schluss kommen wird, dass es noch zu früh ist, sich auf das Eintreten all der guten Nachrichten zu verlassen“, und einen Teil der Hilfsmaßnahmen verlängern wird. Das könne erneut ein „heftiges“ Haushaltsdefizit nach sich ziehen.