Klimapolitik

Habeck will Tempo verdreifachen

Deutschland muss beim Klimaschutz eine Lücke zwischen Ambitionen und Umsetzung schließen. Auf dem derzeitigen Pfad drohen die Ziele bis 2030 aus dem Auge zu geraten. Der Klimaschutzminister will mit einem Sofortprogramm gegensteuern.

Habeck will Tempo verdreifachen

sp Berlin

Die Ampel-Koalition aus SPD, Grünen und FDP muss das Tempo beim Klimaschutz in den nächsten Jahren nahezu verdreifachen, um die bereits von der Vorgängerregierung festgelegten Klimaziele bis 2030 nicht aus den Augen zu verlieren. Das ist das Ergebnis der klimapolitischen Eröffnungsbilanz, die Vizekanzler Robert Habeck (Grüne) am Dienstag vorgestellt hat. „Wenn wir den Pfad der bisherigen Maßnahmen fortschreiben, werden wir bis 2030 statt 65% nur 50% der CO2-Emissionen gegenüber 1990 einsparen“, erklärte Habeck, der als Bundesminister für Wirtschaft und Klimaschutz maßgeblich für die Umsetzung der Klimapolitik verantwortlich ist.

„Über den groben Daumen kann man sagen: Wir müssen dreimal besser werden in allen Bereichen“, sagte der Minister bei der Vorstellung der „Eröffnungsbilanz Klimaschutz“ in Berlin. Während im letzten Jahrzehnt die Emissionen im Durchschnitt jährlich um 15 Mill. Tonnen gesunken seien, müssten sie von nun an bis 2030 um 36 bis 41 Mill. Tonnen pro Jahr sinken, rechnete das Wirtschaftsministerium vor (siehe Grafik). Im vergangenen Jahr sind die Emissionen in Deutschland um mehr als 4% oder rund 33 Mill. Tonnen CO2 gestiegen und das Reduktionsziel wurde verpasst, wie die Denkfabrik Agora Energiewende in ihrer jüngsten Analyse zum Stand der Energiewende aufzeigt. Auch das Reduktionsziel für das laufende Jahr sei in Gefahr und für 2023 sei ebenfalls absehbar, dass das Klimaziel verfehlt wird, sagte Habeck.

Um eine Reduktion der Emissionen um 65% gegenüber 1990 bis 2030 trotzdem zu schaffen, will Habeck noch vor Ostern einen Teil des angekündigten Klimaschutz-Sofortprogramms der Ampel-Koalition auf den Weg bringen und ein weiteres Paket noch vor der Sommerpause im Kabinett beschließen. Der be­schleunigte Ausbau der erneuerbaren Energien soll im Vordergrund stehen. Ihr Anteil am Stromverbrauch soll bis 2030 auf 80% steigen, während er im vergangenen Jahr nur etwas oberhalb von 40% lag und sich leicht rückläufig entwickelte.

Um das Ausbauziel zu schaffen, müssen mehr Flächen für Wind- und Solaranlagen zur Verfügung gestellt werden. Allein für Wind an Land sollen 2% der Landesfläche reserviert werden. Dafür will Habeck viel Überzeugungsarbeit in den Ländern leisten. Bisher lägen nur Hessen und Schleswig-Holstein in der Nähe der angepeilten 2%. Bis zum Sommer wolle er alle Länder bereist und mit den Fachministern oder Ministerpräsidenten gesprochen haben. Individuelle Betroffenheiten dürften dem Ausbau nicht länger im Wege stehen, kündigte er an.

Aus Bayern kam postwendend Kritik an den Plänen des Klimaministers. „An der 10-H-Regel wird nicht gerüttelt. Die bayerische Regelung zur Windkraft sichert Akzeptanz und sorgt für Bürgerbeteiligung“, sagte CSU-Generalsekretär Markus Blume mit Blick auf die geltenden Abstandsregeln. Habeck solle sich besser um notwendigen Leitungsbau und das Verhindern von Versorgungslücken kümmern.

Gesetzespaket bis Ostern

Neben dem Ausbau der erneuerbaren Energien, der mit einer Novellierung des Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG), durch ein Solarbeschleunigungspaket und die kurzfristige Erschließung von Flächen beschleunigt werden soll, will Habeck der Industrie den Einstieg in klimaneutrale Produktionsverfahren durch sogenannte Klimaschutzdifferenzverträge (Carbon Contracts for Difference) erleichtern. Zu den Sofortmaßnahmen, die das Ministerium möglichst noch bis Ostern auf den Weg bringen will, zählen unter anderem auch eine Wärmestrategie für Industrie und Gebäude, eine Überarbeitung des Gebäudeenergiegesetzes und die Anpassung der Nationalen Wasserstoffstrategie.

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