Energiekrise

Heikle Vorhaben der EU-Kommission

Preisdeckel für Öl und Gas, Noteingriffe auf dem Strommarkt, neue Finanzierungsquellen: Den EU-Gipfel in Prag beschäftigten etliche umstrittene Vorhaben – darunter das achte Sanktionspaket gegen Russland.

Heikle Vorhaben der EU-Kommission

rec Frankfurt

Mit Beginn des informellen EU-Gipfels in Prag haben die EU-Staaten zusätzliche Sanktionen gegen Russland beschlossen. Das mittlerweile achte Sanktionspaket bringt unter anderem einen Preisdeckel für russisches Öl auf den Weg, den die führenden Industriestaaten (G7) auf den Weltmärkten durchsetzen wollen. Der Plan hat allerdings seine Tücken und dürfte frühestens in einigen Monaten greifen.

Es ist längst nicht das einzige heikle Vorhaben aus Brüssel, das rund um den zweitägigen EU-Gipfel für Gesprächsstoff sorgt. Im Kampf gegen hohe Energiepreise zeigt sich EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen seit Neuestem offen für eine Deckelung der Gaspreise in der gesamten EU. Außerdem kündigt sie laut der Nachrichtenagentur Bloomberg in einem Brief an die in Prag versammelten Staats- und Regierungschefs an: Die EU-Kommission werde andere „Finanzierungsquellen prüfen, um die Schlagkraft von Repower EU zu erhöhen“.

Hinter der Abkürzung verbirgt sich ein Milliardenpaket, um die Abhängigkeit von russischer Energie zu verringern. Die Finanzierung des Pakets ist umstritten. Mitgliedstaaten und EU-Kommission haben unterschiedliche Vorstellungen, woher das Geld kommen soll. Wie es scheint, knüpft von der Leyen mit ihrem Drängen nach neuen Finanzierungsquellen an einen Vorstoß ihrer Kommissare Paolo Gentiloni und Thierry Breton an: Der Italiener und der Franzose setzen sich für einen neuen, schuldenfinanzierten EU-Fonds ein – zum Missfallen der Bundesregierung.

Kritik an Scholz’ „Blockade“

Auch die Idee einer Obergrenze für die Gaspreise hat es in sich. Portugal und Spanien haben dank einer Ausnahmegenehmigung bereits im Alleingang die Gaspreise gedeckelt, auch viele andere EU-Staaten dringen darauf – nicht aber die Bundesregierung. Von der Leyen hat sich die Idee am Mittwoch in einer Rede vor dem EU-Parlament quasi zu eigen gemacht und erstmals selbst eine „Obergrenze für die Gaspreise“ ins Spiel gebracht. In von der Leyens Parteienfamilie nimmt man ihre Vorlage gerne auf: „Bundeskanzler Scholz muss seine Blockadehaltung gegen einen europäischen Gaspreisdeckel aufgeben, um nicht noch mehr Glaubwürdigkeit und Vertrauen zu verspielen“, fordert Angelika Niebler, Vorsitzende der CDU/CSU-Gruppe im Europaparlament.

Am Donnerstag zeichneten sich schwierige Debatten ab. Denn unter den Befürwortern kursieren unterschiedliche Ansätze, einen Gaspreisdeckel in die Tat umzusetzen. Der Energieexperte Simone Tagliapietra von der Denkfabrik Bruegel sieht das Vorhaben grundsätzlich kritisch. „Es wird nicht einfach sein, an den Energiemärkten herumzuspielen“, sagte Tagliapietra der Deutschen Presse-Agentur. Auch Ökonomen warnen: Die hohen Preise seien Folge tatsächlicher Engpässe. Und künstlich abgesenkte Preise minderten Anreize, Gas zu sparen. Das belegt schon der Blick auf den Gasverbrauch in Spanien und Portugal: Denn der steigt, seit der Gaspreisdeckel in Kraft ist.

Auch der europäische Wirtschaftsdachverband Business Europe dringt auf „neue und gezielte Maßnahmen, um die Energierechnungen der Unternehmen zu senken“. Verbandschef Fredrik Persson schwebt vor, Strom- und Gaspreise zu entkoppeln. Ein solcher Schritt würde die von den Energieministern beschlossenen Noteingriffe auf dem Strommarkt ergänzen. Darunter ist eine Gewinnabschöpfung bei Stromerzeugern, die über Gebühr von hohen Preisen profitieren. Auch das sorgt für Kritik – etwa weil unklar ist, wie die abgeschöpften Gewinne zurück zu den Verbrauchern gelangen.

Auf dem EU-Gipfel geht es an diesem Freitag außerdem darum, einen gemeinsamen Gaseinkauf zu organisieren, um die Marktmacht der EU-Staaten auf den Weltmärkten besser auszuspielen. Experten fordern das seit Monaten, passiert ist allerdings wenig. Inzwischen verlangen ausgerechnet Ersatzlieferanten aus den USA und Norwegen besonders hohe Preise, wie Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck schimpft.

Ölpreisdeckel braucht Arbeit

Mit dem achten Sanktionspaket gegen Russland, das auch eine Ausweitung von Import- und Exportverboten vorsieht, muss sich der EU-Gipfel nicht mehr befassen. Der darin enthaltene Ölpreisdeckel liegt allerdings auf Wiedervorlage. Nach dem bereits im Frühjahr verabredeten Importstopp für russisches Öl, der demnächst mit wenigen Ausnahmen für alle EU-Staaten greift, will die EU nun auch die Einnahmen Russlands aus Ölgeschäften mit dem Rest der Welt schmälern. Zu diesem Zweck will die EU-Kommission bei Verstößen gegen den Ölpreisdeckel künftig auch den Transport per Schiff unter Strafe stellen. Der Haken: Die Höhe des Preisdeckels steht noch nicht fest und ist Sache der G7. Während der Kreml das Vorhaben am Donnerstag als „absurd“ verspottete, hieß es in Brüssel, an der konkreten Umsetzung werde noch gearbeitet.

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