Verbraucherpreise

Inflation in der Türkei nimmt wieder rasant an Fahrt auf

Die Politik der türkischen Regierung befeuert die Inflation im Land. Das Ziel der Preisstabilität rückt trotz der kräftigen Zinserhöhungen der Notenbank in immer weitere Ferne.

Inflation in der Türkei nimmt wieder rasant an Fahrt auf

Inflation in der Türkei nimmt wieder rasant an Fahrt auf

Steuererhöhungen und Importpreise befeuern Teuerung – Weitere Zunahme wahrscheinlich

mpi Frankfurt

Die Preisstabilität rückt in der Türkei in noch weitere Ferne. Eine schwache Lira und diverse Steuererhöhungen der Regierung treiben die türkischen Verbraucherpreise wieder in die Höhe. Im August stieg die jährliche Inflationsrate auf 58,9%, wie die nationale Statistikbehörde am Montag in Ankara mitteilte. Seit ihrem Höhepunkt im Oktober bei mehr als 85% war die Teuerung kontinuierlich auf 38,2% gesunken, ehe die Verbraucherpreise im Juli begannen, wieder deutlich anzuziehen.

Vor allem Lebensmittel, Restaurant- und Hotelbesuche sowie öffentliche Verkehrsmittel werden derzeit teurer. So hatten etwa die zuständigen Behörden in Istanbul Anfang August wegen der hohen Inflation im Land eine Preiserhöhung der Tickets für öffentliche Verkehrsmittel um im Schnitt 51% verkündet – was die Teuerung in der Türkei zusätzlich anheizt.

Schwache Lira

Ein weiterer Grund für die steigenden Inflationsraten ist die Lira, die in den vergangenen zwei Jahren gegenüber dem Dollar rund 70% an Wert verloren hat. Da die Türkei rohstoffarm ist, sind die Unternehmen bei ihrer Produktion auf Importe angewiesen, die sich wegen der schwachen Landeswährung deutlich verteuern. Ökonomen begründen die Abwertung der Lira mit der lange Zeit unorthodoxen Geldpolitik. Um die Wirtschaft zu stimulieren, hatte die Notenbank trotz hoher Teuerung den Leitzins gesenkt oder stabil gehalten. Seit Juni hat sie dann unter ihrer neuen Chefin Hafize Gaye Erkan eine geldpolitische Wende eingeleitet und den Leitzins mehrmals deutlich angehoben – von 8,5% auf inzwischen 25%.

Zudem konterkariert die türkische Regierung die Effekte der Geldpolitik, indem sie verschiedene Steuersätze teils deutlich angehoben hat, um die Staatskasse aufzubessern. So erhöhte sie etwa den Mehrwertsteuersatz von 18 auf 20%. Die Benzin- und Dieselpreise waren nach einer Erhöhung der Steuer auf Kraftstoffe an der Zapfsäule um etwa ein Viertel gestiegen.

Mit den zusätzlichen Einnahmen will die Regierung zum einen die Kosten für den Wiederaufbau der südöstlichen Türkei nach dem verheerenden Erdbeben im Februar decken und zum anderen die Sozialhilfeleistungen finanzieren, die die Regierung im Wahlkampf versprochen hatte, aus dem Präsident Recep Tayyip Erdogan im Mai in einer Stichwahl als Sieger hervorging. Zudem hatte die Regierung im Juni beschlossen, dass der Mindestlohn ab Juli wegen der gestiegenen Lebenshaltungskosten um 34% steigt, was aber die Inflation weiter verstärkt. 2022 war der Mindestlohn bereits mehrfach angehoben worden, unter anderem zum Jahreswechsel um 55%.

Die türkische Wirtschaft war im zweiten Quartal überraschend kräftig gewachsen. Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) legt um 3,8% zu. Die hohe Inflation und die schwache Lira könnten die Konjunktur im weiteren Jahresverlauf jedoch abwürgen. „Im zweiten Halbjahr wird sich das Wachstum abschwächen“, sagte Volkswirt William Jackson von Capital Economics angesichts der gestiegenen Kreditkosten.

Düstere Prognose

Bei der Teuerung ist erstmal keine wesentliche Besserung in Sicht. Der Abbau der Inflation werde einige Zeit dauern, kommentierte Finanzminister Mehmet Simsek die jüngsten Daten zu den Verbraucherpreisen. „Wir sind geduldig.“ Notenbankchefin Erkan erwartet, dass die Inflation zum Jahresende bei rund 62% liegt und auch in zwei Jahren noch 20 bis 25% beträgt – weit mehr als das Teuerungsziel der Notenbank von 5%.

Wertberichtigt Seite 2
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