Deutsche Industrie

Inlandsnachfrage sorgt für Auftragsschub

Die stark gestiegene Inlandsnachfrage hat der deutschen Industrie im Dezember unerwartet viele Neuaufträge beschert. Ökonomen erwarten einen regelrechten Industrieboom in diesem Jahr – wenn Corona nicht wieder einen Strich durch die Rechnung macht.

Inlandsnachfrage sorgt für Auftragsschub

ba Frankfurt

Dank einer stärkeren Binnennachfrage hat die deutsche Industrie vor dem Jahreswechsel überraschend viele Neubestellungen eingesammelt und startet nun mit einem gut gefüllten Auftragspolster ins Jahr 2022. Die rückläufigen Bestellungen aus dem Ausland sind allerdings deutliche Boten der nachlassenden Konjunkturdynamik in einigen Ländern – allen voran China. Ökonomen erwarten dennoch einen Industrieboom für 2022 und damit einen entsprechenden Schub für das Bruttoinlandsprodukt (BIP). Zumindest sofern sich die Lieferprobleme entspannen – wofür es bereits Anzeichen gibt – und keine weiteren Coronavirusmutationen zu neuen Materialengpässen führen. Im Gesamtjahr 2021 jedenfalls kletterten die Auftragseingänge um 17,8% im Vergleich zum Coronajahr 2020. Gegenüber dem Vorkrisenjahr 2019 liegt das Plus laut Statistischem Bundesamt (Destatis) bei 9,3%.

Für Dezember melden die Wiesbadener Statistiker 2,8% mehr Aufträge als im Monat zuvor (siehe Grafik). Ökonomen hatten lediglich ein Plus von 0,5% erwartet, nachdem die Bestellungen im November um revidiert 3,6 (zuvor: 3,7)% zugelegt hatten. Bleibt der volatile Posten der Großaufträge unberücksichtigt, er­gibt sich ein Zuwachs um 2,9%. „Nach einem deutlichen Rückgang im Oktober haben sich die Auftragseingänge nun zweimal in Folge erholt und liegen weiterhin deutlich über Vorkrisenniveau“, betonte das Bundeswirtschaftsministerium. Im Vergleich zu Februar 2020, dem Monat vor Beginn der coronabedingten Restriktionen, war der Ordereingang 9,8% höher. Mit der erwarteten allmählichen Auflösung der Lieferengpässe deutet der Indexstand laut Ministerium „auf eine dynamische Wirtschaftsentwicklung hin, sobald der hohe Auftragsbestand abgearbeitet werden kann“. Dieser ist derzeit so hoch wie nie seit Beginn der Zeitreihe 2015, die Reichweite liegt bei rekordhohen 7,6 Monaten – so lange würde es dauern, allein um die vorhandenen Aufträge bei gleichbleibendem Umsatz abzuarbeiten.

Der Orderanstieg im Dezember beruht auf der mit 11,7% sehr kräftig gestiegenen Inlandsnachfrage. Die Aufträge aus dem Ausland gingen um 3,0% zurück – insbesondere die aus der Eurozone. Hier verzeichnet Destatis ein Minus von 4,2%, nachdem diese im Vormonat noch deutlich um 10,3% zugelegt hatten. Die Auftragseingänge aus dem restlichen Ausland fielen um 2,3%. Entscheidend für die Entwicklung der Indus­trieproduktion in diesem Jahr dürfte Commerzbank-Ökonom Ralph Solveen zufolge „aber sowieso nicht sein, ob die Aufträge in einem Monat steigen oder fallen“. Viel wichtiger werde sein, ob die Lieferengpässe überwunden werden. Auch wenn es hier Hoffnungsschimmer gebe, sei es für eine Entwarnung aber noch zu früh. Immerhin hatte die Einkaufsmanagerumfrage eine leichte Entspannung gezeigt, ebenso wie die Ifo-Umfrage, der zufolge im Januar nur mehr rund 67% der Unternehmen unter Materialknappheit litten. Die Produktion, über die Destatis am Montag berichtet, werde daher über weite Strecken des Jahres noch deutlich unter ihrem normalen Niveau verharren. Solveen beziffert diese Lücke auf derzeit mehr als 12%.