Haushaltspolitik

IW dringt auf Anwendung strenger Fiskalregeln

Hierzulande hält die Bundesregierung 2023 die Schuldenbremse ein, in Europa reißt sie bei laxeren Regeln die Maastrichter Defizithürde. Wie das sein kann, weiß das IW Köln.

IW dringt auf Anwendung strenger Fiskalregeln

wf Berlin

Nur mit Haushaltstricks kann die Ampel-Koalition die Schuldenbremse 2023 einhalten. Dies konstatiert das Wirtschaftsforschungsinstitut IW Köln und plädiert dafür, die strengeren europäischen Fiskalregeln hierzulande wieder stärker zum Maßstab zu machen. „Es ist grotesk, dass Deutschland sich zwar an die strenge Schuldenbremse hält, aber gleichzeitig die großzügigen Maastricht-Kriterien reißen kann“, sagt IW-Haushaltsexperte Martin Beznoska. „Der ausufernde Einsatz von Sondervermögen muss enden“, forderte er. Stattdessen sollte die Bundesregierung die Schuldenbremse für investive Ausgaben öffnen, um mehr Transparenz zu schaffen.

Die Ampel-Koalition hält nach drei Ausnahmejahren 2023 die Schuldenbremse wieder ein, aber das Maastricht-Defizit in Relation zum Bruttoinlandsprodukte (BIP) steigt dem IW zufolge voraussichtlich auf 3,4% – nach nur 1,7% im Vorjahr. Dies würde gegen das Maastricht-Stabilitätskriterium von 3% verstoßen, stellen die Forscher fest. Allerdings sind in der EU die Stabilitätskriterien für 2023 noch ausgesetzt.

Ursache für die Diskrepanz der Ergebnisse zwischen deutschen und europäischen Fiskalregeln ist der „erhebliche zusätzliche Verschuldungsspielraum“, den die Bundesregierung laut IW über Sondervermögen geschaffen hat. Sie finanziert damit Klimaschutz, Digitalisierung, Verteidigung oder Strom- und Gaspreisbremse. Gemäß der Schuldenbremse schöpft der Bund 2023 das strukturelle Potenzial für die Neuverschuldung von 0,35% des BIP voll aus: Dies sind 13 Mrd. Euro. Hinzu kommt die konjunkturelle Komponente von 15 Mrd. Euro in diesem Jahr. Tatsächlich werde sich der Bund aber nicht nur mit 28 Mrd. Euro neu verschulden, sondern nach IW-Schätzung unter Einbeziehung der Sondervermögen mit 140 Mrd. Euro.

Dies ist möglich, weil die Ampel die Anrechnung der Zuführung von Mitteln zu Sondervermögen geändert hat. Zuvor wurde die Finanzierung von Ausgaben dem Jahr zugerechnet, in dem die Ausgabe getätigt wurde. Mit der Entscheidung der Ampel fällt die Zurechnung nun in das Jahr der Entscheidung über Kreditermächtigungen. Damit können kreditfinanzierte Finanzmittel in Sondervermögen gesammelt werden ohne Rückwirkung auf die Schuldenbremse bei der späteren Ausgabe. Das IW sieht dies kritisch: „Es stellt sich zunehmend die Frage, inwieweit der Haushalt den finanzwissenschaftlichen Kriterien von Einheit, Vollständigkeit und Jährlichkeit noch gerecht wird“, schreiben die Wissenschaftler. Sie regen eine Öffnung der Schuldenbremse für investive Ausgaben an. Dies könne „langfristig dazu führen, dass sowohl die Haushaltsspielräume für wachstumswirksame Ausgaben erhalten bleiben als auch die Transparenz der Haushaltsführung wiederhergestellt wird.“