Geldpolitik

Klimaschützer machen EZB Druck

Die Kontroverse über den Beitrag der Europäischen Zentralbank in Sachen Klimawandel verlagert sich von den Anleihekäufen auf den Sicherheitenrahmen. Greenpeace befeuert die Debatte mit einer Studie und einer Protestaktion.

Klimaschützer machen EZB Druck

rec Frankfurt

Ungewohnte Szene am Mittwochmorgen im Frankfurter Ostend: Um kurz nach sieben kreisten Gleitschirmflieger rund um die Glastürme der Europäischen Zentralbank (EZB). Einer schleppte ein knallgelbes Banner mit sich, darauf in schwarzen Versalien die Aufschrift: „Act on climate now!“

Hintergrund der Protestaktion von Greenpeace ist eine Kampagne mit Blick auf die Geldpolitik. Eine Gruppe von Klimaschützern und Ökonomen um die Umweltschutzorganisation Greenpeace erhöht den Druck auf die Europäische Zentralbank (EZB), mehr zum Kampf gegen den Klimawandel beizutragen. In einer gemeinsamen Studie mit Wirtschaftsforschern von Denkfabriken und Universitäten kritisieren sie die Handhabe von Kreditsicherheiten durch die EZB. Greenpeace moniert „eine systematische klimaschädliche Unwucht des be­stehenden EZB-Sicherheitenrahmens“, die der Klimaschutzagenda der EU-Kommission zuwiderlaufe. Um die Geldpolitik in Einklang mit dem Pariser Klimaschutzabkommen zu bringen, schlagen die Klimaschützer drei Szenarien vor, die es „den Notenbanken ermöglichen würden, ihren Sicherheitenrahmen klimafreundlicher auszugestalten“.

Mit dem Vorstoß verlagert sich die Debatte über eine grüne Geldpolitik stärker auf den Umgang mit Sicherheiten (Collaterals), die Banken für den Zugang zu Zentralbankgeld hinterlegen müssen, und ein Stück weg von den Anleihekaufprogrammen der EZB. Die Forderung, Käufe von Unternehmensanleihen nach Klimaschutzkriterien zu gewichten, ist im EZB-Rat und unter Volkswirten besonders umstritten. So lehnt Bundesbankchef Jens Weidmann eine Bevorzugung als grün deklarierter Wertpapiere bei den breiten Anleihekäufen (Quantitative Easing, QE) strikt ab und beharrt auf dem Prinzip der Marktneutralität. Offen zeigt Weidmann sich hingegen, aus dem Klimawandel entstehende finanzielle Risiken stärker zu berücksichtigen.

Das Thema wird im EZB-Rat im Zuge der laufenden Strategieüberprüfung intensiv und kontrovers diskutiert. EZB-Chefin Christine Lagarde dringt auf einen größeren Beitrag im Kampf gegen den Klimawandel. Vor einem Monat preschte Frankreichs Notenbankchef François Villeroy de Galhau vor, indem er eine auf fünf Jahre angelegte Roadmap präsentierte (gvl. BZ vom 12. Februar).

Daran knüpfen Experten von Greenpeace, der Denkfabrik New Economics Foundation (NEF), der SOAS University of London, der University of England und der Universität von Greenwich in ihrer Studie „Greening the Eurosystem Collateral Framework“ an. Sie gehen mit ihrem Appell für eine grüne Geldpolitik deutlich weiter, als Skeptikern vorschwebt, und geben sich nicht mit dem von Galhau avisierten Zeitplan zufrieden. „Die EZB muss viel mehr viel schneller tun“, fordert NEF-Ökonom Frank van der Lerven.

Konkret bemängeln Greenpeace und Co., dass die Unternehmen, die aufgrund ihres Geschäftsmodells oder ihres Energieverbrauchs einen besonders klimaschädlichen „Fußabdruck“ haben, im Sicherheitenrahmen gegenwärtig begünstigt würden. Denn der Anteil der Anleihen dieser Unternehmen im Verhältnis zu allen Anleihen, die die EZB als Sicherheiten von Geschäftsbanken akzeptiert, sei „überproportional hoch“. Auch spiegelten die vergleichsweise niedrigen Abschläge für Kreditsicherheiten, die sogenannten Haircuts, die finanziellen Risiken des Klimawandels unzureichend wider. Das zeigt die Greenpeace-Analyse aller notenbankfähigen Collaterals.

„Das schafft besonders vorteilhafte Finanzierungsbedingungen für kohlenstoffintensive Unternehmen“, kritisiert van der Lerven. Greenpeace sieht eine „Fehlbewertung von klimabezogenen Finanzrisiken an den Kapitalmärkten“. Auch der etwa von Weidmann bemühte Verweis auf Einstufungen von Ratingagenturen führe in die Irre, weil diese klimabezogene Berichtspflichten nicht angemessen berücksichtigten. Als Ausweg zeigen sie drei Szenarien auf – bis hin zum Ausschluss von Unternehmen und ganzer Sektoren aus dem Sicherheitenrahmen (siehe Infobox).