Wegen hoher Zinsen

Unternehmen erhalten erstmals seit 2015 weniger Kredite

Die Geldpolitik der EZB zeigt Wirkung. Erstmals seit über acht Jahren sinkt die Kreditvergabe an Unternehmen. Und die Finanzierungsbedingungen dürften sich in den kommenden Monaten noch weiter verschärfen.

Unternehmen erhalten erstmals seit 2015 weniger Kredite

Unternehmen erhalten erstmals seit 2015 weniger Kredite

EZB-Geldpolitik bremst Darlehensvergabe aus – Firmen erwarten weitere Verschlechterung der Finanzierungsmöglichkeiten

mpi Frankfurt

Der straffste Zinserhöhungszyklus in der Geschichte der Europäischen Zentralbank (EZB) bremst die Kreditvergabe an Unternehmen deutlich aus. Zum ersten Mal seit Sommer 2015 vergaben die Banken im Euroraum im Oktober weniger Darlehen an Firmen als im Vorjahresmonat. Im Oktober schrumpfte die Kreditvergabe um 0,3%, wie die EZB am Dienstag mitteilte. Im September hatte noch ein Plus von 0,2% zu Buche gestanden.

Gleichzeitig erwarten die Unternehmen im Euroraum, dass sich ihr Zugang zu Finanzierungen in Zukunft noch weiter verschlechtern wird, insbesondere bei Bankkrediten. Dies geht aus einer ebenfalls am Dienstag von der EZB veröffentlichten Umfrage hervor. „Das deutet darauf hin, dass ein Teil der Transmission der Geldpolitik auf die Finanzierungsbedingungen der Unternehmen noch nicht erfolgt ist“, resümiert die EZB.

Inflationsdruck sinkt

Mit zehn Zinserhöhungen in Folge um insgesamt 450 Basispunkte von Juli 2022 bis September 2023 hat die EZB wie gewünscht die wirtschaftliche Aktivität im Euroraum abgekühlt. Die höheren Zinsen führten zu einer geringeren Nachfrage von Unternehmen nach Investitionen sowie zu sich verschärfenden Finanzierungskonditionen. Eine schwächere Konjunktur reduziert den Inflationsdruck.

Allerdings bergen die Zinserhöhungen der EZB auch die Gefahr, dass die Wirtschaft zu stark abkühlt. Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) der Eurozone ist im dritten Quartal um 0,1% geschrumpft. Konjunkturdaten wie Einkaufsmanagerindizes deuten darauf hin, dass die Wirtschaft wohl auch im letzten Quartal des Jahres schrumpfen wird.

Auch die am Dienstag veröffentlichte Geldmenge M1 für Oktober signalisiert, dass die Euro-Wirtschaft weiter abbremst. Zu M1 gehören Bargeldumlauf und Sichteinlagen von Nichtbanken. Diese Geldmenge gilt Ökonomen als Konjunkturindikator. Im Oktober schrumpfte sie um 10% und damit etwas stärker noch als im September, als sie um 9,9% abnahm. Die breiter gefasste Geldmenge M3 sank um 1%.

Niedrigere Preiserwartung

Auf Wohlwollen bei der EZB dürfte stoßen, dass die von ihr befragten Unternehmen nicht nur damit rechnen, dass sich die Finanzierungsmöglichkeiten verschlechtern werden, sondern sie auch davon ausgehen, dass die Preise und Löhne weniger stark steigen werden als zuletzt prognostiziert. Die Firmen gehen im Durchschnitt von einem Anstieg ihrer Verkaufspreise in den kommenden zwölf Monaten um 3,7% aus.

Das liegt immer noch deutlich oberhalb des Inflationsziels der EZB von 2%, aber ist ein starker Rückgang im Vergleich zur Umfrage vor einem halben Jahr. Damals erwarteten die Unternehmen einen Anstieg um 6,1%. Bei den Löhnen gehen die Firmen von einer Zunahme von 4,3% in den nächsten zwölf Monaten aus, nach 5,4% in der Befragung zuvor.

Nagel erwartet holprigen Weg bis zum Inflationsziel der EZB

Bundesbankpräsident Joachim Nagel warnte am Dienstag davor, den Kampf gegen die Inflation auf die leichte Schulter zu nehmen. „Die disinflationären Effekte der gesunkenen Energiepreise haben sich verflüchtigt, und wir sind immer noch ein gutes Stück von unserem Zielwert entfernt“, sagte er bei einer Rede bei der Zentralbank in Zypern. „Wir erwarten einen holprigen Weg mit einem Auf und Ab der Inflation in der nahen Zukunft.“

Nagel ist zudem optimistisch, dass die Wirtschaft der Eurozone eine harte Landung vermeiden kann. „Der angespannte Arbeitsmarkt, die niedrige Verschuldung von Unternehmen und privaten Haushalten und die rege Investitionstätigkeit deuten darauf hin, dass die Voraussetzungen für eine weiche Landung gegeben sind.“

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