Oligarchen

Krieg spaltet Putins Wirtschaftsbosse

Bedingungsloser Rückhalt für Wladimir Putin gilt als ungeschriebenes Gebot für Russlands Wirtschaftselite. Nun wagen sich manche Oligarchen mit Kritik vor. Doch wie groß ist ihr Einfluss?

Krieg spaltet Putins Wirtschaftsbosse

Von Eduard Steiner, Moskau

Auf bemerkenswerte Weise hat sich ein Dutzend russischer Milliardäre mit Kritik am Krieg gegen die Ukraine zu Wort gemeldet. So rief der einstige Top-Oligarch Michail Fridman, zuvor russischer Ölmogul und heute Miteigner des deutschen Ölkonzerns Wintershall Dea, zum Frieden auf. Kritisch äußerte sich auch Stahlmagnat Alexej Mordaschow, mit im Vorjahr geschätzten 29 Mrd. Dollar reichster Russe und Großaktionär des Reisekonzern Tui. Roman Abramowitsch, Stahlmagnat und Besitzer des Fußballclubs Chelsea, wurde von der Ukraine sogar um Hilfe bei der Suche nach einer Lösung gebeten.

Sich bedingungslos hinter Kremlchef Wladimir Putin zu stellen war bislang ein ungeschriebenes Gebot in Russland. Als zu riskant galt jegliche Kritik, nachdem der Kreml bereits 2003 mit der zehnjährigen Inhaftierung des einst reichsten Russen, Michail Chodorkowski, ein Exempel statuiert hatte. Die Oligarchen der 1990er Jahre, die einst wirklich politische Macht im Kreml hatten, sollten sich vom Kreml fernhalten, lautete die Botschaft. Erst vor wenigen Tagen sagte Oleg Wjugin, Aufsichtsratschef der Moskauer Börse, im Interview der Börsen-Zeitung, heutzutage würde die Business-Elite „nie das sagen, was sie denkt“.

Umso bemerkenswerter also, dass einige sich nun doch kritisch geäußert haben. Und zwar durchaus nicht nur besagter Chodorkowski, der in London lebt, oder der Medienmogul Jewgeni Lebedew, der als britischer Staatsbürger gar im britischen Oberhaus sitzt. Wie die Ukraine, so nimmt auch der Westen an, dass die Milliardäre Druck auf Putin ausüben könnten. Aber „auf die russische Politik werden sie zumindest in der gegenwärtigen Situation ganz sicher keinen Einfluss haben“, sagt Wjugin. „Ihr Einfluss auf Putin ist gering“, pflichtet Gerhard Mangott, Politologe der Universität Innsbruck und einer der besten Russlandkenner Europas, im Gespräch mit der Börsen-Zeitung bei.

Schon nach der Krim-Annexion waren Wirtschaftsvertreter beim Versuch abgeblitzt, Putin eine weichere Außenpolitik im Interesse der Wirtschaft vorzuschlagen. Sie sollten lieber die schädlichen Folgen der Sanktionen lindern, sagte er.

Die Kräfteverteilung der Lobby-Gruppen im Kreml war schon mal ausgewogener gewesen. Neben der Gruppe der sogenannten „Silowiki“, also der Vertreter des staatlichen Sicherheitsapparats, habe auch das wirtschaftsliberale Lager offene Türen vorgefunden, so der Befund der Beobachter. Im Zweifelsfall aber habe Putin zunehmend im Interesse der Hardliner entschieden.

Dabei ist Putin auch mit dem wirtschaftsliberalen Lager durchaus eng verbunden, schließlich sind viele ihrer Vertreter nicht nur frühere Oligarchen aus der Privatwirtschaft, sondern auch Manager staatlicher Konzerne und Institutionen. Zu Ersteren gehört etwa der Chef des größten, nun mit Sanktionen behafteten Instituts Sberbank, Herman Gref. Dazu Elvira Nabiullina, die als Zentralbankchefin seit 2013 nach außenpolitischen Manövern Putins Krisenfeuerwehr spielen muss. Und neben vielen Ministern natürlich Alexej Kudrin, Putins Langzeit-Finanzminister und heute Chef des Rechnungshofs.

Gewiss, bei weitem nicht alle Manager von Staatsbetrieben sind wirtschaftsliberal, sondern Putins Weggefährten aus KGB-Zeiten oder zumindest dirigistisch sozialisiert. So Igor Setschin, Chef des größten Ölkonzerns Rosneft, dessen Aufsichtsrat Deutschlands Ex-Kanzler Gerhard Schröder vorsitzt.

Und auch einige Vertreter der Privatwirtschaft sind fern von jeglicher Kritik an Putin, stattdessen als seine Jugendfreunde auch Nutznießer. Dazu zählt Gennadi Timtschenko, Magnat der Gas- und Petrochemieindustrie. Oder Putins Judo-Sparringpartner Arkadi Rotenberg, der vorwiegend von Staatsaufträgen im Bausektor lebt. Doch selbst sie nehmen an den außenpolitischen Entscheidungen nicht teil.

Das gilt umso mehr für die 120 Personen, die als Privatunternehmer laut „Forbes“-Magazin im Vorjahr noch mindestens 1 Mrd. Dollar schwer waren. Manche Ex-Oligarchen fühlen sich daher zu Unrecht auf die EU-Sanktionsliste gesetzt. Michail Fridman und sein Partner Pjotr Awen haben bereits Protest angekündigt. Und Tui-Aktionär Mordaschow betont, der Politik fernzustehen und immer für die Kooperation mit dem Westen gearbeitet zu haben.

Personen Seite 12

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