Arbeitsmarkt

Kündigungen in Frankreich auf Höchststand

Französische Arbeitnehmer profitieren davon, dass die Arbeitslosenquote niedrig ist und Firmen Mühe haben, Stellen neu zu besetzen. Das Arbeitsministerium wiegelt ab: Die Kündigungen seien ein zyklischer Indikator – nach Krisen nichts Besonderes.

Kündigungen in Frankreich auf Höchststand

wü Paris

Frankreich erlebt derzeit eine Kündigungswelle. Die Zahl der Kündigungen hat im ersten Quartal mit 520000 nach Angaben der Statistikabteilung des Arbeitsministeriums einen neuen Höchststand erreicht. 470000 der Arbeitnehmer, die freiwillig gekündigt haben, hatten einen unbefristeten Arbeitsvertrag. Damit fallen die Kündigungen höher aus als der bisherige Höchststand im Auftaktquartal 2008, als 510000 Arbeitnehmer kündigten, davon 400000 mit unbefristeten Verträgen.

Die Situation sei aber nicht mit der in den USA vergleichbar, meinen Experten. Dort handele es sich vor allem um Arbeitnehmer, die nach der Coronakrise nicht mehr zu ihrer Arbeit zurückgekehrt seien, sagt Eric Heyer vom Wirtschaftsforschungsinstitut OFCE (Observatoire français des conjonctures économiques). Das Arbeitsministerium wiegelt ebenfalls ab, die Eigenkündigungsrate sei ein zyklischer Indikator. Während Krisen sei er niedrig und während des folgenden Aufschwungs steige er an.

Nach Ausbruch der Pandemie haben zahlreiche französische Firmen ihre Mitarbeiter in Kurzarbeit geschickt. Während des Höhepunkts der Krise waren mehr als 8 Millionen Arbeitnehmer davon betroffen. Deshalb ist die Arbeitslosenquote 2020 lediglich von 7,6% im ersten Quartal auf 8,8% im dritten Quartal gestiegen, die Übersee-Départements nicht mitgerechnet.

Gleichzeitig ist die französische Wirtschaft letztes Jahr 6,8% gewachsen, nachdem sie 2020 um 7,8% eingebrochen war. Nach Angaben des Statistikamtes Insee sind 2021 rund 855000 neue Stellen geschaffen worden. Im ersten Halbjahr 2022 sind noch mal 172000 dazugekommen. Unternehmen haben daher nun Mühe, Fachkräfte zu finden. Davon profitieren Arbeitnehmer. Sie können relativ sicher sein, bald einen neuen Job zu finden, wenn sie kündigen. So hatten laut Arbeitsministerium acht von zehn Arbeitnehmern mit unbefristeten Verträgen, die im zweiten Halbjahr 2021 gekündigt haben, innerhalb von sechs Monaten wieder eine neue Stelle.

Vollbeschäftigung als Ziel

Im zweiten Quartal betrug die Arbeitslosenquote 7,2%, inklusive der Übersee-Départements – bis auf Mayotte mit 7,4%. Die Organisation für wirtschaftliche Entwicklung und Zusammenarbeit (OECD) geht davon aus, dass sie 2022 wieder auf 7,5% steigen wird, 2023 dann auf 7,8%. Sie erwartet auch, dass sich der Lohnanstieg wegen des Arbeitskräftemangels und der Indexierung des Mindestlohns an die Inflation beschleunigen wird. Präsident Emmanuel Macron will Frankreich bis zum Ende seines zweiten Mandats 2027 zur Vollbeschäftigung führen und die Arbeitslosenquote auf rund 5% senken.

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