Inflationsdruck

Lohnwachstum spricht nicht für frühe Zinssenkung der EZB

Die Lohnentwicklung spielt in der geldpolitischen Debatte eine entscheidende Rolle. Neue Daten der EZB deuten darauf hin, dass sich das Lohnwachstum auf hohem Niveau stabilisiert. Für eine zeitnahe Zinssenkung ist dies jedoch wohl nicht genug.

Lohnwachstum spricht nicht für frühe Zinssenkung der EZB

Löhne sprechen gegen frühe Zinssenkung

Anstieg der Tarifgehälter in der Eurozone zum Jahresende weiter hoch – Zunahme schwächt sich jedoch ab

Die Lohnentwicklung im Euroraum spielt in der geldpolitischen Debatte eine entscheidende Rolle. Neue Daten der Europäischen Zentralbank (EZB) deuten darauf hin, dass sich das Lohnwachstum auf hohem Niveau stabilisiert. Für eine zeitnahe Zinssenkung ist dies laut Einschätzungen von Ökonomen jedoch nicht genug.

mpi Frankfurt

Der Lohnanstieg in der Eurozone hat sich im vierten Quartal 2023 zwar abgeschwächt, bleibt jedoch auf einem hohen Niveau. Die Tariflöhne legten zum Jahresschluss um 4,5% zu, wie die Europäische Zentralbank (EZB) am Dienstag mitteilte. Im Quartal zuvor hatte der Anstieg noch 4,7% betragen. Für viele Ratsmitglieder ist das Lohnwachstum einer der entscheidenden Faktoren bei der Frage, wie sich die Inflation im Jahresverlauf entwickeln wird – und damit auch dafür, wie der geldpolitische Kurs der EZB in den kommenden Monaten aussieht.

Den geringeren Anstieg werten Ökonomen daher als Indiz, dass die Zentralbank weiterhin Fortschritte dabei macht, das Inflationsziel von 2,0% bis spätestens 2025 zu erreichen. „Diese Verlangsamung des Lohnwachstums zum Ende des letzten Jahres sollte eine gewisse Erleichterung darüber bringen, dass die befürchtete Lohn-Preis-Spirale in der Eurozone nicht ausbricht“, sagte ING-Chefvolkswirt Carsten Brzeski. „Aber die Verlangsamung ist zu gering, um die Tür für eine Zinssenkung der EZB im März zu öffnen.“

Richtungsstreit in der EZB

Die ING rechnet weiterhin mit einer ersten Zinssenkung der EZB im Juni. Dies ist die Mehrheitsmeinung unter Volkswirten. Auch Äußerungen etwa von EZB-Präsidentin Christine Lagarde oder dem Chefvolkswirt der Zentralbank, Philip Lane, sprechen für keine Lockerung vor Juni. Beide betonen die Bedeutung der Lohndaten für das erste Quartal. Diese liegen erst bis zur Sitzung im Juni vor.

Auf der anderen Seite hatte am Freitag zum ersten Mal ein EZB-Ratsmitglied öffentlich eine Zinssenkung bereits am 7. März ins Spiel gebracht. Auch weitere Notenbanker sprechen sich angesichts der Fortschritte bei der Inflationsentwicklung und der schwachen Konjunktur im Euroraum für eine zeitnahe Lockerung aus. Dies stünde im Einklang mit den Spekulationen an den Finanzmärkten, dass die Zinswende im April startet.

Daten nicht vollständig

In den Lohndaten zum vierten Quartal sind jedoch Einmalzahlungen von 1.800 Euro an Beschäftigte im öffentlichen Dienst in Deutschland noch nicht komplett enthalten. Diese werden teilweise erst in den Daten für das erste Quartal 2024 berücksichtigt, wie die Bundesbank mitteilt. Dies wird das Lohnwachstum zum Jahresbeginn in der Eurozone verstärken.

Für Tomasz Wieladek, Chefvolkswirt für Europa beim Finanzdienstleistungsunternehmen T. Rowe Price, spricht das Lohnwachstum nicht für baldige Zinssenkungen der EZB. „Mit 4,5% liegt das Wachstum der Tariflöhne immer noch deutlich über der Bandbreite von 3 bis 3,5%, die notwendig ist, um das Inflationsziel der EZB von 2% zu erreichen“, sagte er. „Der EZB-Rat wird sicherlich mindestens bis Juni warten, bevor er einen Zinssenkungszyklus einleitet.“

Hoher Lohnanstieg erwartet

Ähnlich beurteilt Commerzbank-Ökonom Marcus Wagner die Lage. Der Lohnanstieg habe sich zwar abgeschwächt, eine Trendwende dürfte dies jedoch laut ihm noch nicht darstellen. „Zumal mehrere experimentelle Lohnindikatoren auf weiterhin kräftigen Lohnauftrieb hindeuten.“

Wagner verweist dabei zum einen auf Lohndaten der Jobplattform Indeed für Januar 2024, die diese am Montag veröffentlicht hat. Dort zogen die offerierten Löhne im Vergleich zum Herbst wieder an. Zum anderen spricht er den neuen Lohn-Tracker der EZB an.

Dieses Instrument berücksichtigt die Tarifvereinbarungen aus sieben Euro-Ländern und gibt eine Prognose für das künftige Lohnwachstum in der Eurozone ab. Die aktuelle Vorhersage der EZB liegt bei einer Zunahme der Löhne um 4,5% im laufenden Jahr. Sollte die Vorhersage stimmen, würde sich der Anstieg damit 2024 auf einem hohen Niveau stabilisieren. Die Unsicherheit dieser Prognose ist angesichts zahlreicher laufender Tarifverhandlungen für viele Arbeitnehmer derzeit jedoch hoch.

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