Geldpolitik

Neues EZB-Programm als Sicherheitsnetz

Der EZB-Rat hat im Zuge seiner Zinserhöhung ein neues Notfall-Kaufprogramm für Krisenländer wie Italien genehmigt und Einzelheiten vorgestellt. Die dürften Kritiker aber kaum besänftigen.

Neues EZB-Programm als Sicherheitsnetz

ms/rec Frankfurt

Parallel zur ersten Leitzinserhöhung seit elf Jahren hat die Europäische Zentralbank (EZB) ein neues Instrument beschlossen, um bei Bedarf einen übermäßigen Anstieg von Euro-Staatsanleiherenditen und Renditespreads zu verhindern – das Transmission Protection Instrument (TPI). Im besonderen Fokus dieses Sicherheitsnetzes steht Italien. EZB-Präsidentin Christine Lagarde hielt sich bedeckt zu Fragen, ob die Regierungskrise in Italien bereits eine Aktivierung rechtfertige. Mit der Situation vertraute Insider wiesen das laut Reuters zurück.

Mit dem Beschluss setzt der EZB-Rat eine Ankündigung von Mitte Juni um. Bei einer kurzfristig angesetzten Krisensitzung wegen der zuvor stark gestiegenen Euro-Renditen und -Ren­ditespreads stellte er „ein neues Antifragmentierungsinstrument“ in Aussicht. Zu große Zinsdifferenzen sehen viele EZB-Obere als „Fragmentierung“ und damit als Hindernis für die einheitliche Wirkung – Transmission – der Geldpolitik in allen Euro-Ländern. Das ist aber nicht unumstritten. Im EZB-Rat war deshalb zuletzt hart gerungen worden.

Potenziell unbegrenzt

Die Einigung auf das neue Programm sei einstimmig erfolgt, hob Lagarde hervor. „Während der EZB-Rat die Normalisierung seiner Geldpolitik fortsetzt, wird das TPI sicherstellen, dass die Transmission des geldpolitischen Kurses in allen Ländern des Euroraums reibungslos erfolgt“, hieß es in der Erklärung des Rats. Das TPI könne „aktiviert werden, um ungerechtfertigten, ungeordneten Marktdynamiken entgegenzuwirken“, hieß es weiter. Der Umfang von Ankäufen im Zuge des TPI solle von der Schwere der Risiken für die geldpolitische Transmission abhängen. Sie seien „nicht von vornherein beschränkt“. Das heißt de facto, sie sind unlimitiert.

Im EZB-Rat waren zuletzt vor allem zwei Punkte umstritten: Der eine Punkt war die Frage, wie beurteilt werden soll, ob ein Rendite- oder Spreadanstieg fundamental gerechtfertigt ist oder nicht. Bundesbankpräsident Joachim Nagel hatte jüngst gewarnt, dass das in Echtzeit kaum möglich sei. In den am Donnerstag mitgeteilten Details heißt es dazu nur, dass sich die Entscheidung „auf eine umfassende Bewertung der Markt- und Transmissionsindikatoren stützen“ werde. Lagarde betonte, dass das letztlich in den Ermessensspielraum des EZB-Rats falle. Kritiker wähnen da durchaus Willkür.

Vier Kriterien

Der zweite umstrittene Punkt war die Konditionalität. Nagel und andere wollten vermeiden, dass die Käufe Anreize für eine solide Finanz- und Wirtschaftspolitik untergraben. Der Beschluss sieht nun vier Kriterien vor: Einhaltung des haushaltspolitischen Rahmens der EU; keine schwerwiegenden makroökonomischen Ungleichgewichte; Tragfähigkeit der öffentlichen Finanzen und eine solide und nachhaltige makroökonomische Politik. Ob das ausreicht, für makroökonomische Nachhaltigkeit zu sorgen, ist umstritten.

Lagarde betonte, dass derzeit alle Euro-Staaten diese Kriterien erfüllten und deshalb bei Bedarf in den Genuss des TPI kommen könnten. Das gelte selbst für Italien, das derzeit in einer Regierungskrise steckt – mit potenziell weitreichenden wirtschaftlichen Konsequenzen, etwa bei den avisierten Geldern aus dem EU-Wiederaufbaufonds­.

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