Coronakrise

Portugal ringt um den Haushalt

Die portugiesische Regierung kämpft mit Absagen für ihren Haushaltsentwurf. Allerdings brauchen die regierenden Sozialisten nicht mehr die Zustimmung aller Parteien. Und auch sonst scheint Portugal auf einem guten Weg aus der Krise.

Portugal ringt um den Haushalt

ths Madrid

Die sozialistische Minderheitsregierung in Portugal führt derzeit Verhandlungen mit kleineren Parteien über die nötige Unterstützung im Parlament für den Haushalt 2022. Nachdem der Finanzplan letzte Woche vorgestellt wurde, hagelte es zunächst nur Absagen. Auch die üblichen Partner der Sozialisten von Ministerpräsident António Costa verwehrten ihre Zustimmung. Anders als in seiner ersten Amtszeit braucht Costa nun jedoch nicht mehr die Stimmen sowohl der Kommunisten (PCP) als auch des Linken Blocks (BE). Der Minderheitsregierung reicht einer von beiden Partnern.

Dennoch malte Portugals Staatspräsident Marcelo Rebelo de Sousa kürzlich das Gespenst von vorgezogenen Neuwahlen an die Wand, sollte der Haushalt im Parlament durchfallen. Dies hätte gravierende Konsequenzen, etwa für den Empfang der Milliarden aus dem Europäischen Wiederaufbaufonds. Denn im Falle von Neuwahlen würde der Haushalt 2022 frühestens im April in Kraft treten, und die Gelder aus Brüssel kämen entsprechend später an.

Die Hilfen aus dem EU-Wiederaufbaufonds sind der Hauptpfeiler des Finanzplans der Costa-Regierung. Von den 13,9 Mrd. Euro an direkten Zuwendungen und 2,7 Mrd. Euro an Krediten soll bereits ein Viertel 2022 eingesetzt werden. Die staatlichen Investitionen steigen um 30%. Das Gesundheitssystem soll gestärkt werden, etwa mit dem Bau von vier neuen Krankenhäusern. Während der schwersten Phase der Corona-Pandemie stieß die Krankenversorgung in Portugal an ihre Grenzen. Weitere massive Investitionen sind für die Bildung vorgesehen sowie für den Technologiebereich und die Infrastruktur, vor allem den Ausbau des Bahnverkehrs. Familien mit Kindern winken neue Zuschüsse.

Der Haushalt sieht außerdem Steuererleichterungen für mittlere Einkommen vor. Der Steuerrabatt für Jugendliche in ihren ersten Berufsjahren wird erweitert, wie auch derjenige für Portugiesen, die aus dem Ausland zurückkehren. Für Unternehmen wird ein neuer steuerlicher Anreiz für Investitionen als Weg aus der Krise eingerichtet. Voraussetzung ist jedoch, dass die Firmen drei Jahre lang keine Stellen abbauen und keine Dividende zahlen. Im Sinne des Umweltschutzes wird eine neue Abgabe für Flugreisen und Kreuzfahrtschiffe eingeführt.

Das Haushaltsdefizit soll bis 2023 wieder unter der 3-Prozent-Marke liegen. Nachdem die Sozialisten 2019 erstmals seit Jahrzehnten einen ausgeglichenen Haushalt geschafft hatten, hatte die Pandemie die Anstrengungen zunichtegemacht. Finanzminister João Leão unterstrich bei der Vorlage des Haushaltsplans, dass 15% der neuen Staatsschulden den Maßnahmen gegen die Coronakrise geschuldet seien. Mit einer Verschuldung von 135% des Bruttoinlandsproduktes im letzten Jahr weist Portugal mit die höchste Schuldenlast in Europa auf. Leão verwies darauf, dass die Ratingagentur Moody’s das Land heraufgestuft habe und man zuletzt Anleihen zu negativen Zinsen und Bonds mit einer Laufzeit von 30 Jahren am Markt platziert habe. Das kleine Land am Atlantik profitiert freilich auch stark vom Kaufprogramm der Europäischen Zentralbank (EZB).

Die konjunkturelle Erholung ist nach einem Rückgang des Bruttoinlandsproduktes (BIP) von 8,4% im letzten Jahr auf gutem Weg. Das von der Regierung vorgesehene Wachstum von 4,8% in diesem und 5,5% im kommenden Jahr ist Ökonomen zufolge realistisch. Es sei denn, Costa scheitert bei den Verhandlungen über den Haushalt. Doch scheint eine Lösung nicht allzu schwierig. Die Kommunisten fordern mehr Gehalt für Staatsbedienstete, eine Anhebung des Mindestlohns und das Ende der Ablauffrist der Tarifverträge. Der linke Block will dagegen politische Zusagen, die über den Haushalt hinausgehen. Costa sitzt derzeit recht fest im Sattel. Bei den landesweiten Kommunalwahlen Ende September wurden die Sozialisten mit 33% wieder stärkste Kraft, obwohl sie den Verlust des Rathauses von Lissabon verkraften musste, wo Costa einst selbst Bürgermeister war.

BZ+
Jetzt weiterlesen mit BZ+
4 Wochen für nur 1 € testen
Zugang zu allen Premium-Artikeln
Flexible Laufzeit, monatlich kündbar.