Großbritannien

Regierung zeigt Schwäche

In Großbritannien ist eine Debatte über die Streichung von übernommenem EU-Recht entbrannt. Diverse Verbände machen dagegen mobil. Zudem kippten Tory-Hinterbänkler das Wohnungsbauziel der Regierung.

Regierung zeigt Schwäche

hip London

Die britische Regierung hat bei ihrem Vorhaben, bis Ende des kommenden Jahres in großem Maßstab in britisches Recht übernommenes EU-Recht aus dem Gesetzbuch zu tilgen, erheblichen Gegenwind aus der Wirtschaft bekommen. Neben dem Gewerkschaftsdachverband TUC wandten sich mehr als ein Dutzend Organisationen, darunter das Institute of Directors und das Chartered Institute of Personnel & Development in einem Schreiben an Wirtschaftsminister Grant Shapps gegen einen entsprechenden Gesetzentwurf (Retained EU Bill Law). Shapps’ Vorgänger Jacob Rees-Mogg wollte damit für mehr Produktivität sorgen. Die Unterzeichner des Briefs fürchten dagegen „signifikante Verwirrung und Verwerfungen“ für Unternehmen, ihre Mitarbeiter und Verbraucher. Die TUC-Generalsekretärin Frances O’Grady nannte den Gesetzentwurf ein „Rezept für Chaos“. Aus Whitehall wird schon lange gewarnt, die Überprüfung des Besitzstands (Acquis) stelle eine untragbare Belastung für die Ministerialbürokratie dar. Bereits auf der CBI-Jahreskonferenz in Birmingham blies Premierminister Rishi Sunak der Wind ins Gesicht. Der Unternehmensverband forderte angesichts des allgemeinen Arbeitskräftemangels Erleichterungen bei der Zuwanderung. Sunak wollte lieber über die Bekämpfung der illegalen Zuwanderung sprechen.

Am Dienstag musste Sunak die lang erwartete Planungsreform auf Eis legen, die eigentlich am Montag (28. November) dem Unterhaus vorgelegt werden sollte. Die ehemalige Nordirlandministerin Theresa Villiers hatte 50 Hinterbänkler um sich geschart, um das Vorhaben zu Fall zu bringen. Sie unterzeichneten einen Änderungsantrag für den Ge­setzentwurf (Levelling-up & Re­ge­ne­ra­tion Bill), der das darin enthaltene Planziel von 300000 neuen Wohnungen pro Jahr aufgehoben hätte. Villiers sprach von einem „signifikanten Sieg“, der zeige, dass die Minister wüssten, dass sie besser zuhören müssten. „Das ist ein heil­loses Durcheinander“, sagte die Labour-Politikerin Lisa Nandy. „Die Regierung kann nicht regieren, die Tagesordnung zur Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse kollabiert und der Wohnimmobilienmarkt ist kaputt.“

Schatzkanzler Jeremy Hunt wollte bei einem Auftritt vor dem Finanzausschuss des Unterhauses nicht dementieren, dass das Schatzamt die Quelle einer „Sunday Times“-Geschichte war, der zufolge die Regierung künftig ein ähnliches Verhältnis zur EU anstrebt wie die Schweiz.

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