Geldpolitik

Ringen um EZB-Zinskurs wird intensiver

In der Debatte über den weiteren EZB-Kurs haben zuletzt vor allem die Hardliner, also die „Falken“, den Ton angegeben und für weitere Zinserhöhungen plädiert. Nun halten die „Tauben“ dagegen.

Ringen um EZB-Zinskurs wird intensiver

ms Frankfurt

Nachdem in den vergangenen Tagen vor allem die Hardliner im EZB-Rat, also die „Falken“, den Ton in der Debatte über den weiteren EZB-Kurs angegeben und für weitere Zinserhöhungen plädiert hatten, haben zum Wochenausklang verstärkt auch die „Tauben“ das Wort ergriffen und zur Vorsicht gemahnt. Sie forderten, dass sich die Europäische Zentralbank (EZB) nicht auf weitere Zinserhöhungen vorfestlegen dürfe, und betonten insbesondere die Unsicherheit wegen der jüngsten Bankenturbulenzen. Bundesbankpräsident Joachim Nagel sprach sich indes am Freitag im Kampf gegen die hohe Inflation erneut für weitere Zinserhöhungen aus.

Die EZB hatte vergangene Woche trotz verbreiteter Sorgen vor einer neuen Finanzkrise ihre Leitzinsen wie zuvor avisiert erneut um 50 Basispunkte angehoben. Zugleich strich sie aber die Forward Guidance, mit der sie nach den vorherigen Zinserhöhungen stets weitere Schritte in Aussicht gestellt hatte. EZB-Präsidentin Christine Lagarde sagte indes, dass weitere Zinserhöhungen möglich seien, wenn sich die Finanzturbulenzen beruhigten. Nachdem sich dann unter der Woche die Bankenunruhe ein wenig gelegt hatte, hatten dann die „Falken“ mit weiteren Zinserhöhungen geliebäugelt. Die Kurskapriolen bei der Deutschen Bank am Freitag zeigten indes, dass die Unsicherheit weiter groß ist.

„Wir sollten keine Vorabverpflichtungen eingehen. Ich bin froh, dass wir in unserer letzten Sitzung beschlossen haben, keine Prognosen abzugeben“, sagte Griechenlands Notenbankchef Giannis Stournaras am Donnerstagabend bei einer „Politico“-Veranstaltung in Paris. Zudem betonte er: „Zehn Basispunkte Straffung vor den Bankenereignissen in den USA und in der Schweiz sind nicht wie 10 Basispunkte jetzt, sie sind höher. Wir müssen das berücksichtigen.“ Die Turbulenzen bei den Banken haben zu einer Verschärfung der Finanzierungsbedingungen geführt.

Auch EZB-Direktoriumsmitglied Fabio Panetta warnte davor, sich im Voraus auf künftige geldpolitische Maßnahmen festzulegen. „Angesichts der vorherrschenden Unsicherheit, der Verzögerungen, mit denen sie operiert, und des Risikos plötzlicher finanzieller Spannungen muss die Geldpolitik voll anpassungsfähig an wechselnde Entwicklungen bleiben“, sagte er am Donnerstagabend. „Dies erfordert einen datenabhängigen Ansatz, der die Risiken auf beiden Seiten berücksichtigt.“ Und weiter: „Unsere Straffung muss umsichtig kalibriert werden“, weil „sie sich bereits stark auf die Finanzierungsbedingungen auswirkt und wir eine unerwünschte finanzielle Volatilität vermeiden wollen“.

In eine ähnliche Richtung äußerten sich auch die Notenbankchefs aus Italien und Portugal, Ignazio Visco und Mario Centeno. „In Anbetracht der hohen Volatilität an den Finanzmärkten in den letzten Wochen und in Anbetracht des erheblichen Umfangs der geldpolitischen Straffung in der Pipeline sollte bei künftigen geldpolitischen Entscheidungen auch unter dem Gesichtspunkt der Finanzstabilität ein vorsichtiger Ansatz verfolgt werden“, sagte Visco in Rom. „Die Gefahr einer Überreaktion ist spürbar, sie ist vorhanden, und wir sollten sie im Auge behalten“, sagte Centeno in Lissabon.

Dagegen sagte Bundesbankchef Nagel am Freitag: „Es wird notwendig sein, die Leitzinsen auf ein ausreichend restriktives Niveau anzuheben, um die Inflation rechtzeitig wieder auf 2% zu senken. Ebenso sollten wir die Leitzinsen so lange wie nötig hoch halten, um dauerhafte Preisstabilität zu gewährleisten.”