Bundestagswahl

Sicherheitsexperten warnen vor Cybergefahr im Wahljahr

Möglichkeiten zur Einflussnahme auf eine Wahl gibt es viele. Mit Falschmeldungen über Kandidaten, Hackerangriffen auf Wahlbehörden oder strategisch gestreuten Zweifeln an der Integrität des Wahlprozesses ist auch rund um die Bundestagswahl zu rechnen, warnen Experten.

Sicherheitsexperten warnen vor Cybergefahr im Wahljahr

sp Berlin

Das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) rechnet damit, dass es rund um die Bundestagswahl 2021 ähnlich wie zuletzt bei Wahlen in den USA oder in Frankreich zu Versuchen der Manipulation über das Internet kommen wird. „Die IT-Sicherheitslage im Wahljahr 2021 ist möglicherweise bedrohlicher als sonst“, sagte BSI-Chef Arne Schönbohm am Dienstag bei einem Online-Pressegespräch mit Bundeswahlleiter Georg Thiel. Die Behörden arbeiteten seit Monaten mit hohem Aufwand daran, die Sicherheit der Bundestagswahl trotz gestiegener Risiken zu gewährleisten, betonte Thiel. „Die Herausforderungen allerdings sind in den vergangenen Jahren gewachsen. Das steht außer Zweifel“, erklärte der Bundeswahlleiter. Dies betreffe sowohl mögliche Desinformationskampagnen im Wahlkampf wie auch Cyberangriffe auf die Wahlinfrastruktur.

Die besondere Bedrohungslage in diesem Jahr hänge auch mit der Coronavirus-Pandemie zusammen, sagte Schönbohm. Da die Online-Kommunikation während der Pandemie stark zugenommen habe, gebe es auch mehr Möglichkeiten, die Meinung online zu beeinflussen. Der BSI-Chef verwies auf Sicherheitsvorfälle in anderen Ländern und führte den US-Wahlkampf 2020 und die gehackten E-Mails des französischen Präsidenten Emmanuel Macron während des Präsidentschaftswahlkampfs 2017 an. „Da wir das in anderen Ländern gesehen haben, gehen wir einfach davon aus, dass dieses hier in Deutschland als wirtschaftlich potenteste Macht innerhalb Europas auch attraktiv ist“, sagte Schönbohm. Die Behörden hätten es dabei mit einer sehr komplexen Bedrohungslage zu tun, weil Angreifer sowohl Parteien als auch Kandidaten oder die öffentliche Meinung in das Visier nehmen könnten.

Ganz konkret schaut das BSI auf die Gefahren durch die Schwachstellen bei der Exchange-Software von Microsoft. Bislang gebe es allerdings „keine Hinweise auf einen breiten Missbrauch in Deutschland“, sagte Schönbohm. Ihn beunruhige allerdings, dass nach einem Hackerangriff im Frühjahr, von dem auch sechs Bundesbehörden betroffen waren, wohl noch bis zu 4000 Systeme verwundbar seien. Der BSI-Chef wies auch auf neue technische Manipulationsmöglichkeiten wie sogenannte Deep Fakes hin. Dabei werde künstliche Intelligenz genutzt, um aus zwei Videofilmen mit ähnlichen Szenarien einen Film zu machen, wobei das Gesicht der Person aus dem einen Film auf das Gesicht der Person im anderen Film übertragen werde. Solche Videos erreichten auf Videoplattformen wie Youtube Aufrufe in Millionenhöhe, betonte Schönbohm. „Das, was geht, wird teilweise auch gemacht. Und darum bereiten wir uns darauf vor“, sagte der BSI-Chef.

Herausforderung Briefwahl

Bundeswahlleiter Thiel hob die Herausforderungen durch die in der Corona-Pandemie deutlich beliebter gewordene Briefwahl hervor. Sie erfordere nicht nur mehr Organisation und mehr Personal, sondern auch besondere Wachsamkeit mit Blick auf die Versuche von Desinformation der Öffentlichkeit. Seit Jahresanfang würden Zweifel am korrekten Ablauf der Briefwahl gestreut. Dabei gebe es die Briefwahl seit 1957. „Wir haben seit 1957 keine Ansatzpunkte dafür gehabt, dass die Wahlen insgesamt dadurch manipulationsanfälliger geworden sind“, betonte Thiel. Es stimme auch nicht, dass die Urnen, in denen Briefwahlstimmen landen, geöffnet werden könnten und das Wahlergebnis so verfälscht werden könne.

Im US-Präsidentschaftswahlkampf 2020 sorgte eine Desinformationskampagne gegen die Stimmabgabe per Briefwahl für Schlagzeilen. Heute ist ein Viertel der US-Bürger überzeugt, dass die Wahl „gestohlen“ wurde, wie eine Umfrage von Reuters/Ipso im Mai ergab.

Wertberichtigt Seite 6