Großbritannien

Streikwelle rollt auf Jeremy Hunt zu

Busfahrer, Grenzschützer, Krankenschwestern – Mitarbeiter des öffentlichen Diensts wollen mehr als nur einen Inflationsausgleich erreichen. Doch Schatzkanzler Jeremy Hunt hat andere Pläne.

Streikwelle rollt auf Jeremy Hunt zu

hip London

Großbritannien steht eine Streikwelle bevor, wie es sie zuletzt im Oktober 1984 gegeben hat. Vor allem im öffentlichen Dienst stehen die Zeichen auf Sturm. In einer Urabstimmung der Public & Commercial Services Union (PCS) stimmten 86 % für einen Arbeitskampf, so viel wie noch nie in der Geschichte der Gewerkschaft. Sie vertritt Beschäftigte des Grenzschutzes ebenso wie Fahrprüfer des Verkehrsministeriums und Jobcenter-Mitarbeiter. Neben einer Lohnerhöhung um 10 % ist – angesichts der von Schatzkanzler Jeremy Hunt zu erwartenden Ausgabenkürzungen – Arbeitsplatzsicherheit eine zentrale Forderung der PCS. Britischen Medienberichten zufolge dürfte Hunt dem öffentlichen Dienst lediglich 2 % mehr Gehalt zugestehen, was bei einer zweistelligen Teuerungsrate einer erheblichen Kürzung der Reallöhne gleichkommt.

Erste Streiks wurden bereits angekündigt, etwa von den Gebäudereinigern, Sicherheitskräften und Empfangsmitarbeitern des Wirtschaftsministeriums, die an fünf Tagen die Arbeit niederlegen wollen. Rund 70 000 Hochschulmitarbeiter werden Ende November nach einem entsprechenden Beschluss der University & College Union streiken.

Das größte Ungemach droht der Regierung allerdings aus dem öffentlichen Gesundheitswesen. Erstmals stehen mehr als 7 Millionen Menschen auf den Wartelisten des National Health Service (NHS) für Routineeingriffe. Noch vor Weihnachten droht ein Streik des Pflegepersonals. Die Mitglieder des Royal College of Nursing (RCN), das rund 300 000 Mitglieder zählt, haben sich erstmals in der mehr als hundertjährigen Geschichte der Institution zu einem Arbeitskampf entschieden. Sie fordern 17,6 % mehr Lohn – eine Erhöhung von 5 % zuzüglich eines am Einzelhandelspreisindex RPI orientierten Inflationsausgleichs. Die RPI-Inflation hatte im September bei 12,6 % gelegen. Auf diese Weise soll ein Teil der im zurückliegenden Jahrzehnt erduldeten Reallohnverluste ausgeglichen werden. Auch andere Arbeitnehmervereinigungen halten den Zeitpunkt für gekommen, die Entwicklung der vergangenen Jahre zu revidieren. In Heathrow streikt ab dem 18. November das in der Gewerkschaft Unite organisierte Bodenpersonal. In London legen ab dem 22. November fast 1 000 Busfahrer von Abellio die Arbeit nieder.

Wie der „Guardian“ berichtet, werden diesen Monat 1,7 Millionen Arbeitnehmer an Urabstimmungen über Arbeitskampfmaßnahmen teilnehmen oder haben sich bereits dafür entschieden – die meisten von ihnen im öffentlichen Dienst. Sollten sie alle in einem Monat auch nur zwei Tage lang streiken, gingen dadurch so viele Arbeitstage verloren wie zuletzt während des Bergarbeiterstreiks 1984.

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