Forschungsprogramme

Streit zwischen Briten und EU um Wissenschaft kocht hoch

Durch die Uneinigkeit beim Nordirland-Protokoll bricht auch der Streit um den Zugang der Briten zu EU-Forschungsprogrammen wieder auf. Großbritanniens Außenministerin Liz Truss wirft der EU eine Verzögerungstaktik vor.

Streit zwischen Briten und EU um Wissenschaft kocht hoch

Reuters Brüssel/London

Parallel zum Streit zwischen Großbritannien und der EU über das Nordirland-Protokoll verschärft sich auch der Konflikt über den Zugang zu Wissenschaftsprogrammen nach dem Brexit. Die Regierung in London leitete formelle Beratungen mit der EU ein, um sich den Zugang zu europäischen Kooperationen wie dem fast 96 Mrd. Euro schweren Rahmenprogramm für Forschung und Innovation, „Horizont Europa“, zu sichern. Großbritannien wirft der EU vor, eine Ende 2020 geschlossene Vereinbarung für die Beteiligung der Briten an solchen Programmen noch immer nicht umgesetzt zu haben. Die EU-Kommission teilte am Mittwoch mit, sie werde entsprechend den vorgeschriebenen Regeln auf den Schritt der Briten reagieren.

Zwar sind Großbritannien und die EU grundsätzlich einig darüber, dass Forschungskooperationen auch nach dem Brexit für beide Seiten gewinnbringend wären. Seit Abschluss der entsprechenden Vereinbarung ha­ben sich die Beziehungen zwischen der Regierung in London und der EU allerdings im Streit über das Nordirland-Protokoll verschlechtert, weswegen die EU bereits juristische Schritte einleitete. Zuvor hatte London ein Gesetz vorgelegt, mit dem es die umstrittene Regelung zum Grenzverkehr zwischen der britischen Provinz Nordirland und dem EU-Land Irland aushebeln will. Die EU pocht auf diese Regelung, mit der sie ein Wiederaufflammen des Nordirland-Konflikts verhindern will.

Ein EU-Kommissionssprecher be­kräftigte am Dienstag, beide Seiten könnten von einem Schulterschluss in der Wissenschaft profitieren. Es sei aber wichtig, sich den politischen Kontext in Erinnerung zu rufen. Schließlich gebe es ernsthafte Schwierigkeiten bei der Umsetzung des Brexit-Abkommens. Dieses sehe für die EU weder eine eindeutige Verpflichtung zur Beteiligung der Briten an Forschungsprogrammen noch einen Zeitplan dafür vor.

Die britische Außenministerin Liz Truss warf der EU vor, mit der nach ihrer Einschätzung verzögerten Umsetzung von Forschungskooperationen gegen Vereinbarungen zu verstoßen. Die EU versuche, die wichtige wissenschaftliche Zusammenarbeit politisch zu instrumentalisieren. „Wir können nicht zulassen, dass das so weitergeht“, erklärte die konservative Politikerin, die als Favoritin für die Nachfolge des scheidenden Premierministers Boris Johnson gilt.

Großbritannien wirft der EU vor, 18 Monate nach der Vereinbarung den britischen Zugang zu einer Reihe von zentralen Forschungsprogrammen noch nicht geregelt zu haben. Das dabei im Mittelpunkt stehende Paket „Horizont Europa“ („Horizon“) ist nach Angaben des Bundesforschungsministeriums weltweit das größte Einzelförderprogramm für Forschung und Innovation. Es geht den Briten aber unter anderem auch um die Beteiligung am europäischen Erdbeobachtungsprogramm Copernicus, das mit seiner Satelliten-Flotte eine wichtige Rolle im Kampf gegen den Klimawandel spielt.