Geldpolitik

Tauben der EZB im Aufwind

Für die EZB verdichten sich die Anzeichen, dass die Geldpolitik demnächst gelockert werden kann. Die Entwicklung der Verbraucherpreise mahnt trotz der nachlassenden Inflation jedoch zur Vorsicht. Insbesondere die Teuerung bei Dienstleistern beobachtet die EZB mit etwas Sorge.

Tauben der EZB im Aufwind

Tauben der EZB im Aufwind

Argumente für Zinssenkung werden laut Notenbank stärker – Inflationsdaten dennoch auch eine Warnung für die Geldpolitik

mpi Frankfurt

Für die Europäische Zentralbank (EZB) verdichten sich die Anzeichen, dass die Geldpolitik demnächst gelockert werden kann. Die Entwicklung der Verbraucherpreise mahnt trotz der nachlassenden Inflation jedoch zur Vorsicht. Insbesondere die Teuerung bei Dienstleistern beobachtet die EZB mit etwas Sorge.

Das am Donnerstag veröffentlichte Sitzungsprotokoll zum Zinsentscheid der Europäischen Zentralbank (EZB) im März liefert weitere Indizien dafür, dass die Notenbank im Juni die Zinswende einleiten wird. „Die Argumente, Zinssenkungen in Betracht zu ziehen, werden stärker“, heißt es im Dokument. Dass eine Lockerung der Geldpolitik für die EZB bei ihrer Zinssitzung in einer Woche mit großer Sicherheit keine Option ist, lässt sich ebenfalls aus dem Sitzungsprotokoll ableiten.

Bis zur Juni-Sitzung lägen viele neue relevante Daten vor, insbesondere zum Lohnwachstum in der Eurozone. „Die neuen Informationen, die rechtzeitig zur April-Sitzung verfügbar sind, sind dagegen viel begrenzter, was es schwieriger macht, bis dahin ausreichend Vertrauen in die Nachhaltigkeit des Disinflationsprozesses zu haben.“

Inflation bei Dienstleistungen bereitet EZB Sorgen

Ein wenig Sorgen bereitet der EZB die hohe Inflation im Dienstleistungssektor, wie aus dem Protokoll ebenfalls hervorgeht. Zudem mahnt die Notenbank mit Blick auf die steigenden Monatsraten bei der Gesamtrate der Inflation zur Vorsicht bei der Lockerung der Geldpolitik. Seit der Zinssitzung Anfang März dürfte sich daran nichts geändert haben. Laut vorläufigen Eurostat-Zahlen vom Mittwoch hat sich der Trend der zunehmenden Monatsraten im März fortgesetzt. Außerdem stagnierte die Dienstleistungsinflation abermals bei 4,0%.

Unter dem Strich sind für die Notenbanker die Risiken, das Inflationsziel in der näheren Zukunft zu unterschreiten oder zu überschreiten, dennoch in etwa gleich groß. Denn es gebe Anzeichen für eine Verlangsamung des Lohnwachstums. Zudem sei die Gesamtrate der Inflation zuletzt mehrfach stärker als erwartet gesunken.

Schwache Konjunktur

Die EZB stellte zudem fest, dass die Konjunktur im Euroraum womöglich schlechter laufen könnte als gedacht. In ihrer aktuellen Prognose gehen die Ökonomen der Notenbank von einem realen Wachstum des Bruttoinlandsprodukts (BIP) in diesem Jahr von 0,6% aus. Im Juni legt die EZB neue Projektionen für Inflation und Wirtschaftswachstum vor.

Ob eine noch geringere Wirtschaftsleistung zu weniger Inflation führen würde, ist für den EZB-Rat jedoch unklar. Es gebe zwei mögliche Szenarien. Im ersten würde eine geringere Nachfrage zu sinkenden Unternehmensprofiten und weniger Lohnwachstum führen. In der Folge würde sich der disinflationäre Trend in der Eurozone verstärken.

Im zweiten Szenario wären die Auswirkungen der schwächeren Konjunktur jedoch ganz andere. „Angesichts der
anhaltend starken Lohnentwicklung könnte sich ein schwächeres Wirtschaftswachstum in höheren Lohnstückkosten niederschlagen, was zu einem Aufwärtsdruck auf die inländischen Preise beitragen und den Disinflationsprozess verlangsamen würde“, schreibt die EZB in ihrem Protokoll.

Erzeugerpreise sinken weniger als erwartet

Unabhängig von der konjunkturellen Entwicklung und deren Auswirkungen auf die Teuerung sei der Disinflationsprozess in der Eurozone weiter fragil, bilanziert die Notenbank. Die Geldpolitik müsse daher erstmal weiter restriktiv bleiben – was sie jedoch auch nach einer ersten Zinssenkung im Euroraum noch ist. Auch wenn die EZB feststellt, dass „der Straffungsimpuls der Geldpolitik langsam nachlässt“. Ein Grund dafür ist, dass die Märkte Zinssenkungen der EZB im weiteren Jahresverlauf bereits eingepreist haben.

Derweil sind die ebenfalls am Donnerstag von Eurostat veröffentlichten Erzeugerpreise in der Eurozone weniger stark gesunken als erwartet. Im Februar verbilligten sich die Produkte um 8,3% im Vergleich zum Vorjahr. Ökonomen hatten im Schnitt einen Rückgang um 8,6% vorhergesagt.

Die Erzeugerpreise sind ein Indikator für die weitere Entwicklung der Verbraucherpreise, an deren Inflationsrate die EZB ihre Geldpolitik ausrichtet. Unternehmen geben veränderte Produktionskosten in der Regel zeitverzögert zumindest teilweise an ihre Kunden weiter.

BZ+
Jetzt weiterlesen mit BZ+
4 Wochen für nur 1 € testen
Zugang zu allen Premium-Artikeln
Flexible Laufzeit, monatlich kündbar.